In dieser Episode des Smart Innovation Podcast ist Niels Feldmann mein Gesprächspartner. Wir unterhalten uns über Kreativität im Team.
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Über
Dr. Niels Feldmann ist Head of Digital Service Design & Innovation Lab und Forscher am Karlsruhe Service Research Institute (KSRI) des Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Kreativität und Innovation ist im Kern seiner Tätigkeit.
Seine Projekte konzentrieren sich auf die Evaluierung, Entwicklung und Umsetzung neuer Geschäftsmodelle, technologiegetriebener Produkt- und Serviceinnovationen sowie die Etablierung von Ansätzen für Open & Collaborative Innovation.
Er ist Teil des weltweiten Sugar Netzwerkes, das Unternehmenspartner mit Studenten von 25 Universitäten aus 4 Kontinenten zusammenbringt. In diesem internationalen Umfeld lernen die Studierenden für die Dauer eines akademischen Jahres menschzentrierte Gestaltungswerkzeuge interdisziplinär und praxisorientiert kennen.
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In dieser Episode erwähnt
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- Kyoto Institute of Technology
- Biergartenmethode Kreativitätstechnik
- Joseph Beuys
- Miro & Mural, remote Whiteboard Tools
vom Zuhören ins Machen kommen
Rory’s Story Cubes nutzen, um auch über abgefahrene Geschichten zu Ideen zu kommen. Gerade dann, wenn dem Team selbst nichts mehr einfällt.
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Transkript
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Niels Feldmann: „Wir machen das Programm jetzt seit über 8 Jahren. Haben inzwischen 125 Studierende ausgebildet mit 30 Projekten, über 30, 31 Projekte haben wir glaube ich inzwischen abgeschlossen. Aus unglaublich vielen Industrien. Wir haben eigentlich immer gehört von den Unternehmensvertretern, dass sie überrascht waren, wie schnell die Gruppe der Studierenden die Fachspezifika und den Kontext des jeweiligen Unternehmens verstanden haben. Also das war für die meistens überraschend. Was vielleicht auch eine gute Sache ist, ist die Mischung, sie haben genug Verständnis entwickelt, um ihr Projekt zu lösen. Sie haben aber auch noch genügend Distanz zum tiefen Fachwissen und zum dauerhaft über Jahre erworbenen Fachwissen, um die Welt neu zu sehen.“
Klaus Reichert: Willkommen beim Smart Innovation Podcast! Mein Name ist Klaus Reichert. Ich bin Unternehmensberater und Businesscoach für Innovationen. Von Baden-Württemberg aus begleite ich zukunftsorientierte Unternehmer und Unternehmerinnen sowie ihre Teams remote. Im Smart Innovation Podcast spreche ich mit engagierten und kreativen Menschen über Innovationen, über Innovationsmanagement, Unternehmertum und Verantwortung, gerade im Kontext des Klimawandels. Es geht um innovative, agile Organisationen mit Vision, Dynamik und Energie, sowie den passenden Vorgehensweisen Neues auch enkeltauglich zu entwerfen. Ebenso geht es um wechselnde aktuelle Themen wie neue Geschäftsmodelle, nachhaltige Produkte und digitale Dienstleistungen. Bei den Live-Aufnahmen haben die Teilnehmenden Gelegenheit sich einzubringen, Fragen zu stellen und mitzureden. Neue Episoden erscheinen dann zum Wochenende. Die aktuellen Termine und alle bisherigen Folgen sind auf klausreichert.de/podcast. In jeder Folge gibt es ein kurzzeitig verfügbares Angebot. So wird Innovation für die Teilnehmenden lebendig und gleich umsetzbar. Der direkte Link zur Episode ist in den Shownotes. Dort gibt es auch weiterführende Informationen, Videos und ein Transkript.
Klaus Reichert: Ja, perfekt 17 Uhr und es sind alle schon da. Herzlich willkommen beim Smart Innovation Podcast heute mit Dr. Niels Feldmann. Es geht heute um Kreativität und ich bin froh und dankbar, Niels, dass du dir die Zeit genommen hast für unser Gespräch. Herzlich Willkommen zum Podcast!
Niels Feldmann: Herzlichen Dank, Klaus, für die Einladung! Ich freue mich, dass ich hier sein darf.
Klaus Reichert: Wir beide führen ein Gespräch, wir unterhalten uns über Kreativität. Ich bin schon sehr gespannt, wo wir dann rauskommen. Wir werden dann auch die Möglichkeit haben, auf Fragen einzugehen, vielleicht auch Menschen, die jetzt als Teilnehmende mit dabei sind, dazu zu nehmen. Sag mal, was machst du denn sonst so im echten Leben?
Niels Feldmann: Im echten Leben? Ich bin seit einigen Jahren am KIT tätig und bin dort sowohl forschend als auch lehrend tätig. Und bin gleichzeitig Gründer eines projektbasierten Lernprogramms, das nennen wir Service Design Thinking. Das sich einbettet in eine weltweite Allianz von Universitäten. Das sind ungefähr 25+ Universitäten. Und wir lehren synchronisiert gemeinschaftlich Innovationsmethodik und weil wir das synchronisiert tun, können wir auch zwischen den Studierenden Partnerteams bilden über die Universitätsgrenzen hinweg. Solche Teams bauen wir auch, und die werden dann entsprechend betraut mit einer echten Innovationsherausforderung, die in der Regel aus der Praxis kommt. In diesem Kontext dieses bei uns sehr lange laufenden Programms, das ist ein Lehrprogramm über ungefähr neun Monate, kann man sagen, in diesem Programm ist es natürlich eine große Herausforderung für die Studenten, auf innovative und sehr kreative Ideen zu kommen, die die Herausgeber der Aufgabenstellungen vielleicht noch nicht auf dem Radar hatten.
Klaus Reichert: Das heißt, ihr arbeitet mit einer Methodik, mit derselben Methodik, dann weltweit im Verbund im Grunde zusammen in der Ausbildung von Studierenden zu Innovatoren?
Niels Feldmann: Ganz genau. Richtig. Ja. Grundsätzlich ist diese Methodik, die wir zugrunde liegen haben, der Design Thinking Ansatz. Das heißt, wir würden sagen, in unserer Disziplin ist ein humanzentrisches Innovationsverfahren. Das heißt, wir stellen den Menschen mit seinen Bedürfnissen, Verhaltensweisen, Präferenzen et cetera in den Mittelpunkt und arbeiten von diesem Verständnis über das Individuum, über den Menschen hin zu Lösungen. Das eben, grad der letzte Punkt, erfordert einen kreativen Schritt.
Klaus Reichert: Du hast jetzt gerade humanzentrisch gesagt. Das ist natürlich auf Deutsch eigenartig als Wort, finde ich. Human Centered auf Englisch passt für mich ein bisschen besser, aber das ist natürlich ganz klar die Übersetzung. Jetzt, wenn du eben weltweit unterwegs bist, wer ist denn da mit dabei? Also wir werden natürlich das Netzwerk verlinken in der Podcast-Beschreibung, aber wer macht denn da noch mit? Mit wem bist du denn so in Deutschland oder auch international im Kontakt und im Austausch?
Niels Feldmann: Wir arbeiten sehr eng zusammen mit dem Hasso-Plattner-Institut in Potsdam. Wir arbeiten seit vielen Jahren auch sehr eng zusammen mit Kollegen aus Linköping in Schweden, aus Helsinki von der Universität Aalto in Finnland. Heute Morgen hatte ich noch gesprochen mit einem Kollegen vom Trinity College in Dublin. Also das sind jetzt mal ein paar europäische Player. Wir haben auch Kollegen in Bologna, auch in Paris. Das ist also relativ weit gestreut. Wir haben aber auch in den anderen großen Kontinenten, sage ich mal, wir haben im asiatischen Raum Kollegen, die sich mit einklinken beziehungsweise das auch sehr führend mitleiten. Zum Beispiel das andere KIT, was wir im Programm haben, das Kyoto Institute of Technology, die sitzen eben, wie der Name sagt, in Kyoto und wir haben immer, ich sag mal, den etwas augenzwinkernden Streit, wer denn jetzt das richtige KIT wäre. Aber es ist eine (unv. #00:06:34.7#), es ist also ein kleiner Spaß zwischen uns. Nein, also Kyoto ist dabei, es sind chinesische Unis dabei, es sind australische Unis dabei. Auch Südamerika haben wir. Eine Uni aus Brasilien, aus São Paulo. In Kolumbien eine Universität. Und so sind wir über den ganzen Globus verstreut.
Klaus Reichert: Ihr macht ja da auch immer Video-Meetings regelmäßig und tauscht euch dann aus, lernt voneinander. Das finde ich ganz, ganz besonders, weil ihr sozusagen die Vielfalt ganz intensiv lebt und dadurch ja natürlich ein viel, viel reicheres Programm hinbekommt. Also sozusagen, was dein blinder Fleck sozusagen ist, der wird durch den blinden Fleck der japanischen Kollegin zum Beispiel dann wieder ausgeglichen. Ich finde es wirklich sehr spannend, was ihr da macht.
Niels Feldmann: Ja, das ist richtig. Die Universitäten, die an dem Programm beteiligt sind, oder sagen wir besser, die Fakultäten und die Professoren, die das Programm in ihrer jeweiligen Universität repräsentieren, kommen aus sehr unterschiedlichen fachlichen Bereichen. Also bei mir ist es so, ich arbeite an einem Institut, wir haben als zentrales Thema die Innovation und die Entwicklung digitaler Services auf dem Radar. Es gibt Kollegen, die kommen eher aus dem Maschinenbau. Es gibt Kollegen, die kommen aus dem Industrial Design. Das Spektrum ist sehr, sehr weit. Manchmal hat auch eine Uni Studierende aus verschiedensten Fakultäten involviert. Auch bei uns ist das so. Wir haben einen sehr großen Anteil von Wirtschaftsingenieuren, Wirtschaftsinformatikern in unserem Programm typischerweise, aber auch eben mal Exoten. Aus unserer Sicht Exoten, weil fakultätsfremd aus der E-Technik, aus der Wissenschaftskommunikation et cetera. Dadurch kommen interdisziplinäre Teams weltweit zustande.
Klaus Reichert: Da könnte man natürlich auch mal richtig tolle große Challenges fahren und Hackathons oder sowas zu bestimmten Themen einfach nur unter den Studierenden starten, die dann international miteinander arbeiten. Habt ihr sowas denn schon mal gemacht?
Niels Feldmann: Interessanterweise ein Hackathon haben wir nicht gemacht. Und unser Programm hat einen sehr, sehr klaren Fahrplan, weil sonst würden wir die vielen Universitäten ja gar nicht irgendwie unter einen Hut bekommen zeitlich. Das ist eine Herausforderung, das hinzubekommen. Wir hatten aber vor ein paar Jahren ein Team gehabt, zweimal in Folge war das gewesen, die haben in unserem Programm sich gefunden, also Studierende jetzt in unserem Fall vom KIT in Karlsruhe, haben sich gefunden, haben eine entsprechende Challenge bekommen bei uns und relativ kurz nachdem sie gestartet sind, hat ein großes Unternehmen aus der Region einen Hackathon ausgerufen. Und dann haben die entschieden, dass sie so als Teambuilding-Maßnahme mal den Hackathon mitmachen und haben dann gleich mal groß abgeräumt dort. Und das haben wir im Jahr darauf noch mal geschafft. Und (unv. #00:09:28.0#) auch das Team gesagt, wir machen das dem vorhergehenden Jahrgang nach. Auch die haben abgeräumt dort bei dem Hackathon. Und insofern scherzen wir dann immer, dass wir jetzt ungern gesehen wären auf Hackathons. Aber das ist natürlich nur ein Spaß. Nein. Also wir machen da mal mit, aber Hackathons selbst durchführen ist nicht in unserem Programm drin.
Klaus Reichert: Da steckt aber noch natürlich viel Power dahinter. Grad in der methodischen Vorgehensweise habt ihr ja ziemlich viel Know-how. Und ihr habt auch das Thema Kreativität dabei, wie soll ich sagen, auch methodisch im Griff. Das ist ja heute unser Thema, es geht um Kreativität. Kreativität hat sehr viel mit Austausch natürlich auch zu tun, mit einem Miteinander. Wir haben das beide auch erlebt, du hast die Entstehung auch dieses Podcasts hier mitbegleitet. Da hast du mir auch geholfen, hast mich unterstützt mit deinem Feedback. Und das haben wir so im Kleinen erlebt, wie sowas dann funktionieren kann. Aber was ihr macht, ist ja, ihr arbeitet mit den Studierenden daran, dass diese methodisch Ideen entwickeln können, Problemlösungen entwickeln können. Also so eine Art strukturierte Kreativität.
Niels Feldmann: Kann man so nennen vielleicht. Ja. Wer weiß, ich würde zweifeln, ob man strukturierte Kreativität wirklich so organisieren kann.
Klaus Reichert: Na ja, das ist halt der Wunsch in das Chaos dann etwas Struktur zu bekommen, um dann tatsächlich auch was raus zu bekommen.
Niels Feldmann: Vielleicht kann ich kurz sagen, wie bei uns Kreativität und kreatives Arbeiten in diesem vorhin skizzierten Programm stattfindet und wie man sich das vorstellen muss und wo uns das begegnet. Zum einen, ich habe ja gesagt, wir arbeiten hier nach einem Design Thinking Ansatz. Also wir würden immer sagen, Human Centered, humanzentrisch. Das ist ein iterativer Ansatz. Das heißt, man macht immer wieder die gleichen Tätigkeiten nach einem Durchlauf eines Cycles im nächsten Cycle wieder. Und bei uns ist das so, dass einer der Schritte, die wir in unserem Cycle durchlaufen, natürlich auch spezielle Ideenfindung ein Schritt ist. Nichtsdestotrotz, wir durchlaufen diesen Cycle, den wir als, wir würden sagen, als Mikro-Zyklus bezeichnen, den durchlaufen wir mehrfach und aus verschiedenen Perspektiven. Und wenn wir starten im September, Oktober, dann durchlaufen wir ihn erst einmal mit einem Schwerpunkt, noch gar nicht im Bereich Kreativität, sondern eigentlich erst mal Problemverständnis und Situationsverständnis, Kontextverständnis und so weiter. Da durchlaufen wir natürlich manchmal auch ein bisschen Ideation, wie wir das nennen würden, aber noch nicht so wahnsinnig intensiv. Uns geht’s erst mal darum, verstehen wir die Welt? Beim zweiten Durchlauf verschiebt sich der Fokus wieder und in unserem Zyklus kommt das Thema, in unserem Micro-Zyklus, den ich skizziert habe, kommt das Thema Kreativität und Ideenfindung eigentlich an dritter Position. Das heißt, obwohl wir das von Anfang an immer wieder tun, haben wir eigentlich erst beim dritten Durchlauf so einen richtigen Fokus drauf, einen richtigen Schwerpunkt. Da widmen wir uns dann, obwohl wir wieder einen ganzen Cycle machen, dem ideellen Findungsprozess extra ausgiebig. Und wenden auch da ein bisschen andere Methodik an. Das heißt, wir variieren unsere Kreativitätsmethodik, je nachdem in welcher Phase unseres Programms wir sind.
Klaus Reichert: Das heißt aber auch, dass ihr jetzt nicht die Leute gleich überfahrt mit, hey, im ersten Durchlauf muss alles passieren, 30 Minuten und dann muss bitte die Wunderlösung da sein, da werden auch gleich die Fragestellungen dann neu angegangen.
Niels Feldmann: Absolut! Tatsächlich ist es so, dass wir den Studierenden sagen: Bevor wir eine integrierte Lösung für die Aufgabenstellung, also Gesamtkonzeption – meistens ist unsere Aufgabenstellung ein bisschen komplexer, und weil sie komplexer sind, umfangreichere Lösungen – aber das erste Mal, dass wir wirklich eine Komplettlösung versuchen zu gestalten, ist eigentlich zum Zeitpunkt, wo wir, na, ich würde mal sagen, so ungefähr vier, fünf Monate im Programm drin sind. Also fast schon nach der Hälfte der Zeit. Das heißt, vorher machen wir schon Lösungen, entwickeln wir schon Lösungsansätze, sind schon kreativ, aber nicht notwendigerweise immer mit dem Anspruch, jetzt schon die Lösung zu haben, die wir am Ende auch umgesetzt haben. Sondern wir lassen uns dafür ganz bewusst viel Zeit und versuchen, auf der Zeit bis zu diesem Punkt, den ich skizziert habe, eine Entdeckungsreise zu machen. Das heißt, offen zu sein für neue Perspektiven. Unser Problem, was wir bekommen haben, zu hinterfragen, zu fragen, ob unsere Challenge-Geber, wie wir sie gerne nennen, ob die überhaupt die richtige Frage hier stellen. Das heißt, wir machen einen Prozess durch, der sich mit Problemlösung zu einer gegebenen Challenge, aber auch mit dem Hinterfragen der Challenge im Sinne von einem Problemfindungsprozess befasst.
Klaus Reichert: Das ist ja eigentlich jetzt schon ziemlich einfach, oder? Wir haben gesagt, Kreativität können wir angehen, wir haben verschiedene Stufen, die wir durchlaufen. Da wird mehr oder weniger tief erstmal gebohrt, da werden Sachen in Frage gestellt vielleicht auch, da werden Horizonte zwischendurch erweitert. Das sind ja eigentlich alles Dinge, die ich tun kann, ohne dass ich jetzt zum Beispiel Künstler bin. Also landläufig würde man doch denken: Ich kann nur als Künstler kreativ sein.
Niels Feldmann: Ich glaube, über den Punkt sind wir eigentlich hinaus. Kreativität haben wir ja in x verschiedenen Feldern. Wir haben Alltagskreativität, die wir alle irgendwie jederzeit darstellen müssen. Wir haben alle Problemlösungskompetenz, mehr oder weniger stark ausgeprägt durch die Talente. Aber ich glaube, Kreativität müssen wir als Individuum sowohl im Privatleben als auch natürlich im beruflichen Kontext immer wieder an den Tag legen. Den Blick zu sagen, da gibt’s irgendwie die Groß-Kreativen auf der Welt, die Musiker, die Maler et cetera, selbstverständlich sind die kreativ, aber sie sind kreativ in einem speziellen Bereich. Das heißt ja nicht, dass wir uns deshalb nicht als kreative Menschen bezeichnen.
Klaus Reichert: Natürlich ist das jetzt ein ganz dünnes Eis. Das ist auch nicht wirklich dein Thema, aber es gibt ja dann zum Beispiel so jemanden wie den Beuys, der sagt, der war Künstler, aber auf eine sehr eigenartige Art und Weise, wenn man heute so draufguckt. Wer sich noch erinnert, Butterflecken zum Beispiel sind da zur Kunst erklärt worden. Der sagte dann einfach: Na ja, eigentlich ist jeder Künstler. Und hat dann aber damit eigentlich auch eine ganz andere Dimension gemeint. Er hat zum Beispiel auch nicht gemeint, dass man malen könnte oder irgendwas Spezielles in der Richtung macht, sondern die Kreativität ist dann an anderer Stelle da und wird eingesetzt. Jetzt würde man trotzdem aber in so einem Fall natürlich von einer Einzelperson ausgehen. Was ihr aber macht, ist, ihr schaut, dass ihr Kreativität in der Gruppe im Grunde auch fördert oder hervorbringt. Habe ich das richtig verstanden?
Niels Feldmann: Ja, selbstverständlich. Das machen wir. Oder unsere Studierenden lösen ja ihre Aufgaben als Gruppenaufgabe, und das sogar noch international vernetzt miteinander, also interdisziplinär, interkulturell und auch noch remote in vielen Fällen. Das müssen sie so machen. Jawohl! Es ist natürlich eine Einzelaufgabe, weil der kreative Beitrag, den jeder auch in der Gruppe hat, das ist ja auch eine kognitive Leistung der einzelnen Personen, aber sie muss natürlich irgendwo eingehen in das Ergebnis der gesamten Gruppe.
Klaus Reichert: Jetzt sprichst du von Gruppen. Das sind ja überwiegend Studierende, die sich zum Teil ja dann gar nicht sehen, die sind nicht zusammen im selben Raum. Kommt das bei euch so vor, dass die dann auch, ich sag mal, remote zusammenarbeiten? Funktioniert das?
Niels Feldmann: Jain. Ich möchte mal in dem Bericht unterscheiden zwischen einem normalen Jahrgang, sag ich mal, und zum Beispiel dem letzten Jahrgang, der Corona-geprägt war. Also in einem, in Anführungsstrichen, „normalen“, sprich, Nicht-Corona-Jahrgang, ist das so: Wir stellen immer für ein Projekt, für eine Herausforderung, die von einem Praxispartner kommt, ein Team zusammen, das besteht aus Studierenden von zwei Universitäten aus dem Netzwerk. Und jede der beiden Seiten steuert in das Team drei bis vier Studierende ungefähr bei, plus, minus, kann auch ein bisschen abweichen. Aber im Großen und Ganzen sind es drei bis vier Studierende. Das heißt, wir haben ein Gesamtteam von sechs bis acht Studierenden, die an einer Challenge arbeiten. Davon ist es aber so, dass wir zwei – wie gesagt, Nicht-Corona-Zeiten – zwei lokale Teams haben. Also die Karlsruher können natürlich sich physisch treffen, aber die drei oder vier Kollegen in Linköping können sich auch treffen. Aber das Gesamtteam, also Team 1, Subteam 1 und Subteam 2, sind natürlich über elektronische Kanäle miteinander verbunden. Wobei in dem Programm auch vorgesehen ist, dass es mehrere Gelegenheiten gibt, dass sie physisch zueinander mal kommen können. Aber das ist natürlich die Ausnahme und nicht dauerhaft. Und das müssen sie remote darstellen.
Klaus Reichert: Und das funktioniert?
Niels Feldmann: Das funktioniert. Das Wichtigste hierbei ist eigentlich, dass man die beiden Teams nicht nur, ich sag mal, in den elektronischen Austausch bringt, was das Hören angeht, sondern vor allem auch, dass man ihnen ein Medium bietet, wo Kreativarbeit zusammen durchgeführt werden kann. Es gibt momentan hier die berühmten Tools Miro, Mural und wie sie weiter heißen. Genauso eins nutzen wir auch. Und das ist tatsächlich ein gutes Instrument, da haben wir sehr gute Erfahrungen mit gemacht. Wir sind sowieso sehr große Freunde davon, das ist auch in unserem Prozess vorgesehen, dass Ideenfindung sehr schnell in Visualisierung oder in prototypische Darstellungen mündet. Das ist ja für diejenigen, die mit Design Thinking vertraut sind, Teil des Prozesses. Wie mache ich das, wenn ich remote bin? Also entweder kann ich das zeichnend, schreibend, skizzierend machen, dann ist das auf so einem Board sehr gut möglich. Die andere Variante ist, dass ich natürlich irgendwie auch was bastle zum Beispiel. Aber dann kann ich immer noch das Board nutzen, um schnell ein Foto dahin zu pinnen. Und dann sieht man – oder natürlich kann man auch mal Video anmachen, aber das ist zum Nachhalten nicht immer das Ideale – dass man auf die Art und Weise an einer Stelle die Materialien der Teams sammelt und einen Austausch über die Distanz hinweg erzeugt.
Klaus Reichert: Da hast du jetzt aber grad was Spannendes gesagt. Also es geht darum, eben gleich auch zu zeigen, was man vorhat, was einem vorschwebt, eine Art Prototyp zu bauen, der ja sehr unterschiedlich sein kann. Damit es jetzt vielleicht auch ein bisschen greifbarer wird: Hast du mal ein Beispiel, was ihr bearbeitet habt? Ich erinnere mich zum Beispiel an das Museums-Beispiel. Wollen wir da vielleicht kurz drüber sprechen?
Niels Feldmann: Da können wir kurz sprechen. Das ist ein Projekt aus dem aktuellen Jahrgang, da arbeiten wir mit dem Badischen Landesmuseum zusammen. Und das Badische Landesmuseum hat die Aufgabe herausgegeben an das Studierenden-Team, das sich in diesem Fall zusammengesetzt hat aus Karlsruhern und Kollegen aus Warschau in Polen, Museums-Angebote im digitalen Raum neu zu denken. Oder, um nicht zu sagen, das Museum im digitalen Raum neu zu denken. Und sie haben dabei einen Fokus gelegt auf eine bestimmte Nutzergruppe von Personen, die sich an einem Punkt im Leben befinden, wo sich etwas im größeren Stil verändert. Beispiele wären ein Studierender, der jetzt fertig ist und ins Berufsleben einsteigt. Oder jemand, der sagt: Ich habe zwar die erste Hälfte bis die ersten zwei Drittel meines Berufslebens rum und schaue noch mal, was mache ich in den letzten Jahren bis zur Rente? Will ich mich noch mal neu orientieren? Will ich meinem Leben noch mal einen anderen Sinn geben oder meinem beruflichen Leben einen anderen Sinn geben? Das heißt, das war in einer User-Gruppe, die an solchen Umbrüchen ist. Das war das Thema. Und hierfür war dann die Aufgabenstellung: Denen Angebote zu machen und Angebote zu machen, bei denen das Museum nützlich sein kann, hilfreich sein kann und vor allem auch in einen Austausch, in einen Dialog mit dieser entsprechenden Gruppe kommen kann. Das heißt also, ein Museum klinkt sich in eine Diskussion, in die Welt gewissermaßen der Besucher ein, macht da einen Beitrag. Im Gegenzug möchten sie aber auch von dem, was sie aus dem Dialog mitnehmen, lernen und im Zweifelsfall Stimmungslagen dokumentieren über die Geschichte der Zeit im Augenblick. Das heißt, sie sind einfach am Puls des Lebens in sehr authentischer Form. Das war jetzt gewissermaßen so der Gesamtkontext. Man merkt schon, das ist eine relativ knackige Aufgabe. Und vor allem auch für ein Studierenden-Team, was ja relativ jung ist, was alle die genannten oder viele der genannten Situationen, die ich eben skizziert habe, selbst noch gar nicht erlebt hat, und da mussten sie sich hineinversetzen.
Klaus Reichert: Also gar nicht so ganz einfach. Die Challenge braucht eine Vorarbeit im Grunde auch, braucht aber wahrscheinlich auch das Gespräch mit den, in Anführungszeichen, „Nutzern“, um das hinzubekommen. Spielt das eine Rolle in diesem Kreativitätsprozess bei euch?
Niels Feldmann: Sehr intensiv sogar. Wir regen dazu an, die Instrumente, die man hier verwendet, als gewissermaßen Inputfaktor für die eigentliche Kreativarbeit, die danach folgt, wir nennen das Instrumente zum Need Finding, so würden wir das bezeichnen. Das heißt, das sind Instrumente, mit denen die Studierenden ihre User-Gruppe besser verstehen können. Wenn wir einen Kreativprozess starten, also wenn wir irgendwie was komplett Schwammiges haben, dann wird es schwer, eine gute Lösung für etwas Schwammiges zu finden, weil wir gar keinen klaren Startpunkt haben. Sondern wir müssen uns immer überlegen, was ist ein guter Startpunkt, für den wir eine kreative Lösung erarbeiten können? Und hinterher kann man das irgendwie wieder in Frage stellen. Aber wenn man quasi die Kreativaufgabe hat, muss man immer von einem gewissen Startpunkt ausgehen. Dieser Startpunkt ist bei uns das Verständnis einer bestimmten Nutzergruppe. Das heißt, wir nehmen uns Vertreter des vorhin skizzierten Publikums und versuchen, bei denen in das Erleben und in deren Lebenswelt hineinzuschauen. Das können wir mit Instrumenten tun, in der Beobachtung, das kann im Elektronischen sein, das heißt, wir können gucken, wie verhalten sich bestimmte Profile im Netz. Das kann man quasi selbst mal, wenn man auf irgendwie sozialen Kanälen ist, mal gucken, was haben die Leute im Profil stehen und wie verhalten die sich und was schreiben die und so weiter. Man kann das natürlich in der realen Welt tun et cetera. Man kann natürlich auch Interviews führen, man kann also mit den Leuten sprechen und versuchen, auf die Art und Weise hinter die Kulissen zu schauen. Oder man kann auch mal Selbstversuche machen und sagen, man versucht sich in die Situation hinein zu projizieren. Das ist insbesondere dann gut, wenn man in tiefergehende Emotionen rein möchte, weil man sie dann am eigenen Körper spürt. Und diese breite Datenlage wird von den Studierenden genutzt, um zu sagen, ich mache eine Beschreibung des Problems aus der Sicht der Leute, die ich eigentlich erreichen möchte. Von diesem schmalen Startpunkt aus, also ich habe da ein Zielpublikum genau beschrieben mit auch einem vielleicht treibenden Element, einem treibenden Need, einem treibenden Bedürfnis, und von diesem Punkt aus, da werde ich dann kreativ und dann suche ich Lösungen dazu. Für eine Iteration ist das unser Punkt, um Ideen zu finden. Es mag aber sein, dass wir lernen, dass das nicht der entscheidende Punkt war, sondern dann gehen wir in die nächste Iteration und machen eine andere Wette. Also wir versuchen, sagen, ah, vielleicht war unser Eindruck von den Usern nicht ganz korrekt, und korrigieren. Oder wir haben den falschen User im Fokus gehabt.
Klaus Reichert: Ihr fangt dann auch an, diese Annahmen in Frage zu stellen, von der ihr ausgegangen seid, wenn ihr merkt, dass es wahrscheinlich notwendig ist, den Ausgangspunkt neu zu definieren?
Niels Feldmann: Ja, richtig. Die Daten, die von unseren Studierenden erhoben sind, sind ja, wie ich es gerade skizziert habe, in der Regel qualitative Daten. Und qualitative Daten, sie sind dann nicht mehr erhoben, sondern sie sind auch, wenn ich diese Person oder diesen Vertreter der User-Gruppe versuche auf den Punkt zu bringen, da ist eine Menge Interpretation mit drin. Und Interpretation dessen, was ich vorher gehörte hatte, fußt auf Annahmen. Fußt auf Annahmen, die vielleicht aus dem Team kommen, die aus der Gesellschaft kommen oder aus dem Individuum kommen. Und einen Punkt, den wir immer wieder stressen, ist, genau dieser Annahmen sich überhaupt bewusst zu werden und sich in Frage zu stellen. Das heißt, wir machen Übungen. Ich hatte vorhin gesagt, wir durchlaufen unsere Iteration mehrfach und irgendwann nach ein paar Monaten kommen wir auch an den Punkt, wo wir ganz viel Fokus auf das Thema Ideenfindung legen. Und tatsächlich, das ist genau die Phase, wo wir mit den Studierenden sehr stark daran arbeiten, sich explizite und implizite Annahmen, die mit dem Projekt verbunden sind, überhaupt erst mal bewusst zu werden. Sie zu diskutieren, warum haben wir überhaupt diese Annahmen, wo kommen die her, an welchen von diesen Annahmen kann man im Zweifel auch mal rütteln oder sollte sie einfach mal ganz bewusst entweder ausblenden oder invertieren, also mal das Gegenteil tun davon? Weil über diese Wege wir dann tatsächlich die eingetretenen Denkpfade verlassen können.
Klaus Reichert: Kann man dann sagen, dass man, sobald man sich sicher fühlt, vor allem ganz am Anfang von diesem Prozess, dass man eigentlich noch nicht an der optimalen Lösung oder an einer guten Lösung ist, sondern sich vielleicht zu schnell zufrieden gibt?
Niels Feldmann: Sicherlich, sicherlich. Ich hatte ja gesagt, wir versuchen, dieses Finden der eigentlichen Lösung, die wir nach neun Monaten auch unserem Projektpartner präsentieren möchten, relativ lange offen zu lassen. Genau, weil einfach gute Kreativität Zeit braucht. Es gibt da vielleicht auch noch einen guten theoretischen Ansatz, den man sich mal überlegen kann. Also ich bin jetzt kein Psychologe, kommt aus der Psychologie die entsprechende Theorie. Es gibt eine Theorie, diese Assoziationstheorie, die sagt, dass kreative Ergebnisse immer dann zustande kommen, wenn zwei Elemente in Verbindung oder in assoziative Nähe gebracht werden miteinander. So ist das da formuliert. Interessanterweise ist Teil der Theorie, dass die Originalität, der Neuigkeitsgrad einer Idee immer dann besonders hoch ist, wenn diese beiden Elemente, die ich versuche, irgendwie miteinander in Verbindung zu bringen, weit voneinander entfernt sind, also erst einmal nichts miteinander zu tun zu haben scheinen. Das Problem ist, dass wir aber – das kennen wir alle, wenn wir nach Lösungen suchen – immer erst einmal nach den einfachen und naheliegenden Dingen suchen. Die Impulse, die weiter weg kommen, die kommen in der Regel im Kopf viel, viel später, die brauchen ein bisschen länger. Die zu finden, dem sind wir uns bewusst, und deswegen lassen wir uns an der Stelle viel Zeit. Es gibt noch ein anderes Element, was auch in dem Zusammenhang eine Rolle spielt. Wenn wir in diesem Vorgehen assoziative Elemente, wir sagen, also unser Problem, und irgendeinen anderen Impuls haben und dieser Impuls ist bei uns im Kopf sehr, sehr stark verankert, dann fällt es uns ja unglaublich schwer, von dem mal loszulassen. Meistens sind das dann eben, wie ich es vorhin sagte, etablierte Annahmen gesellschaftlicher, persönlicher Natur et cetera. Und genau an diese mal ranzugehen und zu sagen, die versuche ich auszuschalten, die versuche ich mal, mich von denen zu lösen, dafür sind die vorhin skizzierten Übungen gut. Und das braucht Zeit.
Klaus Reichert: Mhm (bejahend). Das braucht Zeit. Das heißt, es braucht aktive Phasen, es braucht Ruhephasen, es braucht Zeit zwischendurch, um auch mal nichts zu tun sozusagen, das Ganze einfach ein bisschen wirken zu lassen. Und in diesen aktiven Phasen setzt ihr natürlich dann auch verschiedenste Kreativitätstechniken ein, so wie du das gerade angesprochen hast als ein Beispiel. Aber gleichzeitig gebt ihr auch den Studierenden genügend Zeit, das Ganze mal setzen zu lassen, drüber zu schlafen, in der nächsten Woche weiter zu machen.
Niels Feldmann: Ja. Ich habe vorhin gesagt, wir durchlaufen unsere Iterationen mehrfach. Wie gesagt, es ist ein Lehrprogramm, wir sind jetzt nicht in der Industrie unterwegs, wo das einem entsprechenden vielleicht Budget-, Zeitdruck so unterlegen ist. Wir sind da etwas komfortabler vielleicht zeitlich aufgestellt. Für einen Durchlauf, für eine solche Iteration geben wir unseren Studierenden ungefähr drei bis vier Wochen Zeit. Das heißt, wir durchlaufen in den neun Monaten, wenn ich mal ein paar, Weihnachtspause und ein Startevent, Abschlussevent und so weiter abziehe, bleiben da ungefähr sieben Iterationen übrig, die wir durchlaufen können in der Zeit. Das gibt natürlich schon jeweils über die drei bis vier Wochen einen entsprechend zeitlichen Raum, der von unterschiedlichen Aktivitäten geprägt ist. Also wir machen jetzt nicht Hardcore mehrere Tage Ideation Workshop und dann ist die Ideation aber bitte auch durch, sondern wir machen sie immer wieder, sie kommt immer wieder neu und es gibt immer wieder die neuen Impulse: Denken wir eigentlich richtig? Sehen wir die Welt richtig? Stellen wir die richtigen Annahmen in Frage? Sollten wir vielleicht nochmal ran?
Klaus Reichert: Da passt dann auch sehr gut meine Biergartenmethode dazu, die ich dann in der Beschreibung verlinken werde, die aber natürlich selbsterklärend ist, glaube ich.
Niels Feldmann: Ja. Ich glaube, das ist auch uns allen bekannt. In dem Augenblick, wo man in einen entspannteren Modus reinkommt, wo man nicht angestrengt versucht, auf Ideen zu kommen, dass das sehr förderlich ist.
Klaus Reichert: Wir haben jetzt gerade über Kreativität gesprochen. Da hört man ja häufiger vor allem von Rockstars, Drogenexzessen. Ihr schafft Kreativität ohne Drogen, habe ich jetzt gerade rausgefunden. Ihr schafft das Ganze mit einem Prozess, den ihr durchmacht. Das hört sich erst mal eigentlich langweilig an. Viele Leute schrecken da zurück, vielleicht auch gerade sehr kreative Menschen. Aber was eben vor allem dazugehört, ist, dass ihr einen bewusstmachenden Teil miteinbaut in euren Prozess. Und das finde ich eigentlich ganz spannend, dass das funktioniert, obwohl wir eigentlich relativ mechanisch vorgehen. Ich weiß, das ist jetzt das falsche Wort, aber mir fällt gerade kein besseres ein.
Niels Feldmann: Dem würde ich widersprechen. Lass es mich mal anders ausdrücken. Was wir machen, ist also ein Prozess? Hm, mag ich das Wort grad nicht so. Wir würden es einen Ansatz nennen. Und der Ansatz hat relativ wenige Eckpfeiler. Das heißt, an einem Prozess, da stellt man sich leicht was Algorithmisches vor. Nach dem Motto, wenn du Formular A ausgefüllt hast, dann füllst du Formular B aus und dann die Ergebnisse trägst du in C ein und dann geht’s da weiter. Nein, so funktioniert unsere Welt nicht. Also wir haben zwar Tätigkeitsstichpunkte und wir haben unter jedem dieser Stichpunkte, also zum Beispiel, haben wir das richtige Problemverständnis, verstehen wir die Bedürfnisse, zweiter Schritt. Dritter Schritt, Ideenfindungsarbeit ganz, ganz konkreter Natur. Vierter Schritt ist dann prototypische Umsetzung. Und der fünfte wäre bei uns Testing. Das sind immer Begriffe, unter denen sich ein ganzer Werkzeugkoffer befindet. Die Studierenden kommen immer wieder an den fünf Schritten vorbei, aber sie haben jedes Mal die Herausforderung, aus dem Werkzeugkasten pro Schritt die richtigen für sie gerade passenden Instrumente zu finden und anzuwenden. Und das ist nicht, was wir … Deswegen, man kann das als Prozess immer noch bezeichnen, ist nicht ganz falsch, aber die Konnotation ist eher, Schritte mit Werkzeugkasten und dem richtigen Mindset.
Klaus Reichert: Finde ich für mich auch besser. Ich habe wahrscheinlich einfach noch nicht das richtige Wort dann dafür gefunden und habe, ich schrecke ja selbst auch vor dem Wort Prozess an dieser Stelle zurück, weil es sich so mechanisch, so automatisch anhört und eigentlich dem Eigentlichen gar nicht entspricht.
Du bildest Menschen zu Kreativität aus. Gehen wir kurz zurück zum Bild des Künstlers. Ich weiß, ich strapaziere das ein bisschen zu viel. Da sind natürlich zum Teil auch sehr außergewöhnliche Menschen unterwegs. Wo sind denn die Grenzen? Gibt es überhaupt Grenzen der Kreativität bei, in Anführungszeichen, „normalen“ Menschen? Wenn du jetzt so auf deine Vorgehensweise, eure weltweite Vorgehensweise auch schaust, wie sind denn da eure Erfahrungen?
Niels Feldmann: Jeder, der entsprechende Kreativprojekte mal durchgemacht hat, der wird schon gemerkt haben, dass es Mitglieder gibt in Teams, denen fällt das kreative Arbeiten leichter, anderen fällt es schwerer. Einige blühen in den hochkreativen Phasen ganz, ganz doll auf und andere sagen, oh, das ist mir irgendwie zu schwammig alles. Das heißt, ich glaube, da gibt es schon sehr viel Unterschiede zwischen den Menschen. Da gibt’s auch eine ganze Menge Forschung, wie gesagt, das ist fachfremd für mich, das ist in der Psychologie, über die Zusammenhänge von Persönlichkeitsprofilen, Intelligenz und so weiter. Also was sind die richtigen Zutaten, die man haben muss, um als Individuum besonders kreativ zu sein? Wahrscheinlich ist es so, wenn man jetzt auf die vermeintlich großen Kreativen der Geschichte schaut, dass die auch ein entsprechendes Persönlichkeitsprofil haben. Ist im Nachhinein schwer nachzuvollziehen, ob sie das wirklich hatten. Wenn sie nicht noch am Leben sind, kann man es nicht testen. Es ist aber zu mutmaßen, dass, wenn an dieser vielen Forschung zu den entsprechenden Rahmenbedingungen was dran ist, dass es eben da schon eine gewisse Neigung gibt. Grundsätzlich ist es aber auch so, dass man sagen kann, dass alle Menschen, das kann man vielleicht auch (unv. #00:36:40.5#), was ich gelesen habe, alle Menschen eigentlich sehr gut kreativ sein können. Ob es immer eine Spitzenkreativität ist, ist vielleicht diskussionswürdig. Wie gesagt, da bin ich nicht der Experte für, aber ich glaube, wir alle können eine ganze Menge aus uns rausholen, eine ganze Menge Kreativitätsleistung erzeugen.
Klaus Reichert: Da kommen wir auch zu einem wichtigen Punkt jetzt von diesem Podcast, wo wir sozusagen aus dem Zuhören ins Machen reinkommen wollen. Und da hast du verschiedene Themen schon angesprochen, die helfen, jeden kreativ zu machen oder kreative Ergebnisse zu erzielen. Wir sind kurz auf Kreativitätstechniken eingegangen, aber du hast auch uns noch ein Goodie mitgebracht, ein Hilfsmittel, das du gerne benutzt, um Kreativität zu fördern, um ins Geschichten-Erzählen zu kommen.
Niels Feldmann: Ganz genau! Ich habe vorhin schon mal das Stichwort fallen lassen, eine Theorie, eine Kreativitätstheorie, die ich durchaus ganz interessant und vor allem sehr inspirierend finde, ist eben die sogenannte Assoziationstheorie. Ich hatte vorhin gesagt, da gibt’s die assoziativen Elemente, die versucht man, in Verbindung zu bringen. Wenn man sich das mal so vorstellt, ich habe irgendwie mein Problem, gut, das ist mein erstes Element, und ich brauche jetzt irgendwie einen Impuls, ein zweites, was ich damit irgendwie in Verbindung bringen muss. Und wie ich vorhin sagte, sagt das auch noch die Theorie, je weiter die weg sind, desto mehr Potenzial hat es eigentlich erst mal, eine originelle Idee zu werden. Nun ja, dann ist die Frage, welches von den weit entlegenen Impulsen nehme ich denn eigentlich? Und was wir tatsächlich machen, um uns auch dazu zu zwingen, nicht zu naheliegend zu denken, wir haben ein Instrumentarium, ist super einfach: Es gibt Würfel. Ich glaube, die nennen sich Story Cubes. Wir haben da so einen großen Kreidesack, den die Kletterer immer am Gurt hängen haben. Da haben wir mehrere davon bei uns hängen. Und da kann man sich immer so ein Säckchen nehmen, ist ein ganzer Berg voll Würfel drin. Auf jedem der Würfel sind nicht sechs Zahlen drauf, wie man das normalerweise kennt, sondern auf jeder Seite des Würfels sind irgendwelche Bilder abgebildet, die mehr oder weniger klar erkennbar sind, was die darstellen. Auf jeden Fall nutzen wir diese Würfel als teilweise Gruppenspiel, um durch Würfeln einen komplett zufälligen fremden Impuls zu bekommen. Und dann ist die Herausforderung, durch weiteres Würfeln im Team diesen Impuls irgendwie zurückzuführen auf das eigentliche Problem. Also ich muss versuchen, am Schluss eine Geschichte zu erzählen zwischen diesem Impuls und meinem Problem, mit dem ich ja eigentlich angetreten bin. Weil das nicht immer ganz einfach ist, die beiden zusammen zu bekommen, darf man immer weiterwürfeln in der Gruppe. Da kommen natürlich auch eine Menge Geschichten bei raus, die Nonsens sind, aber es kommen auch wieder sehr viele überraschende Sachen bei raus, die erstaunlich gut sind.
Klaus Reichert: Das heißt, mit ganz einfachen, speziellen Würfeln kannst du auch gewisse Hänger vielleicht mal vermeiden oder überbrücken, ins Geschichten-Erzählen kommen und immer wieder die Geschichten dann auch verändern und dabei dann Inspiration finden und vielleicht dann doch zu einer Fragestellung oder zu einer Lösung oder zu einem Reframing der Frage kommen, kommst darüber dann weiter, also spielerisch weiter.
Niels Feldmann: Genau, spielerisch. Du kriegst spielerisch einen Impuls, auf den du selbst wahrscheinlich nicht gekommen wärst oder den du selbst nicht gewählt hättest, weil er eben durch den Würfel vorgegeben ist. Und das zwingt dich einfach, einen komplett neuen Gedankengang, einen komplett neuen Pfad zu beschreiten. Und das Ganze mit viel Spaß.
Klaus Reichert: Vielen Dank für dieses besondere Goodie. Wir werden das natürlich verlinken in den Beschreibungen. Es gibt eine extra Webseite zu unserer Episode hier. Und natürlich gibt’s auch ein Transkript.
Niels, wir haben jetzt gerade noch eine Frage, Barbara Schmuker hat gefragt: Sind 7 Iterationen am Ende nicht langweilig?
Niels Feldmann: Ja, das könnte man meinen. Ich hatte vorhin gesagt, dass die 7 Iterationen jeweils einen anderen Charakter haben. Also der Schwerpunkt, den ich in jeder Iteration setze, ist ein anderer. Und ungefähr nach der Hälfte der Zeit verändert sich auch der Charakter des Projektes. Man geht so in diesen 5 Schritten, die wir iterativ immer wieder durchführen, verschiebt man den Schwerpunkt immer ein kleines Stück. Irgendwann ist man angekommen, so nach der Hälfte der Zeit ungefähr, wo man sagt, ich mache integrierte Lösungen. Allein das ist schon eine andere Art von Herausforderung, das ist eine andere Art von Denken. Also das ist durchaus anders als die Schritte vorher. Und danach, wenn ich jetzt mehrere alternative Szenarien gefunden habe, meistens sind das nicht unendlich viele, das sind vielleicht eine Hand voll, wählt man zusammen mit dem Praxispartner ein, zwei aus. Und die werden aber auch danach von dem Team zumindest prototypisch umgesetzt. Das heißt, die Cycles, die man am Schluss hat, die letzten vielleicht zwei, drei, die haben einen Charakter, dass man sagt, man macht ein Finetuning auf der Idee. Das hat mehr, in unserem Fall, digitaler Service, ist es oft die Entwicklung von einer App, von einer Webseite, von irgendeiner Anwendung für die Smartwatch, was auch immer es ist. Und das hat natürlich dann ein Finetuning, das kriegt mehr so einen User-Experience-Charakter, wie man ihn vielleicht eben aus dem ein oder anderen UI-/UX-Projekt kennt. Und das hat einen Implementierungs-Touch, nach ungefähr gut der Hälfte der Zeit.
Klaus Reichert: Da kommen dann Aktionen mit dazu, es wird immer deutlicher, es wird immer prototypischer, greifbarer?
Niels Feldmann: Ja.
Klaus Reichert: Danke!
Niels Feldmann: Die Grenzen, also die Grenzen von Kreativität, also klar, das haben wir beleuchtet. Ich habe gesagt, dass unser gesamtes Programm als grundsätzlichen Hintergrund, das den Design-Thinking-Ansatz und damit, wie wir es ausdrücken würden, einen Human Centered, also humanzentrischen Ansatz verfolgt. Da gibt es natürlich Grenzen. Wenn ich sage, ich setze den Menschen in den Mittelpunkt, dann ist mein Ziel, insgesamt eine Lösung zu schaffen, die für meinen Adressaten Bedeutung hat. Da ist es nicht mein oberstes Ziel, maximale Neuigkeit in technologischem Sinne zu machen, zu erzeugen zum Beispiel. Also wenn man jetzt sagt, ich will einen Long Shot pur technisch machen und ist mir auch gar nicht so wichtig, also Invention zu betreiben, also Erfindungen zu treiben. Ich mein, das ist jetzt nicht ganz falsch, sich auch mal einen User anzugucken, aber es ist ein anderes Ziel, was man verfolgt. Also die Grenzen der Möglichkeiten mit diesem Ansatz, die sind da. Man muss einfach, das ist also nicht One Size fits all, dann muss man wissen, welchen Innovationsansatz man bei welcher Aufgabenstellung zum Einsatz bringt. Aber das geht über die Kreativität hinaus.
Klaus Reichert: Ich habe das Gefühl, da müssen wir uns noch ein paar Mal unterhalten und zu eigenen Themen sozusagen jeweils eine Episode machen. Das ist noch nicht vorbei, Niels.
Niels Feldmann: Gut! Immer gerne.
Klaus Reichert: Herzlichen Dank, dass du dabei warst!
Niels Feldmann: Herzlichen Dank auch meinerseits!
Klaus Reichert: Das war der Smart Innovation Podcast. Er wurde mit einem interessierten Publikum live aufgenommen. Vielen Dank fürs Dabeisein und Zuhören! Diese Episode gibt es auch zum Lesen. Der direkte Link ist in den Shownotes. Noch kein Abonnent? Die Show ist überall zu finden, wo es Podcasts gibt. Weitere Informationen zum Podcast und meine Kontaktdaten sind bei klausreichert.de/podcast. Dort gibt es auch eine Übersicht der nächsten Liveaufnahme-Termine. Ich bin Klaus Reichert und das war der Smart Innovation Podcast.
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