In dieser Episode des Smart Innovation Podcast ist Prof. Dr. Rainer Grießhammer mein Gesprächspartner. Wir unterhalten uns über Wege und Stolpersteine zur Klimaneutralität für Unternehmen und gehen dabei besonders auf die wirkungsvollen Ziele, Innovationen und notwendigen Schritte ein. Neben Beispielen wird es auch um sinnvolle erste Maßnahmen gehen.
Über
Prof. Dr. Rainer Grießhammer ist Honorar Professor für nachhaltige Produkte an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und Bestseller Autor. Er war langjähriger Geschäftsführer und Wissenschaftler am Öko Institut in Freiburg. Eine besondere Anerkennung seiner Leistungen war die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes. Als Wissenschaftler wendet er sich auch sehr pragmatisch an Verbraucher, unter anderem mit dem #klimaretten Buch und den zugehörigen Videos.
Alle Maßnahmen in Richtung Klimaneutralität sind einfach auch geeignet, Innovationen aufzufinden.
Rainer Grießhammer
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In dieser Episode erwähnt
- Der Öko-Knigge
- Chemie im Haushalt
- #klimaretten Buch & Videos
- Nachhaltigkeit
- Öko-Institut e.V.
- Produktlinien Analyse
- Rio-Konferenz
- Öko-Bilanz UBA
- CO2 Rechner des Umweltbundesamtes
- Netto-Null/Net Zero
- Global Reporting Initiative GRI
- DIN Bilanzierung CO2 Emissionen
- Umweltmanagement Normen
- DIN 14044
- DIN 14064
- CO2-Bepreisung – FAQ
- Bosch Nachhaltigkeit
- Gretchenfrage – Goethes Faust
- IFEU
- Wuppertal Institut
- Das Erneuerbare-Energien-Gesetz EEG
- Pariser Konvention
- Schattenpreis
- Goldstandard
- Sono Sion
- Post Streetscooter
- Wettfahrt Verkehrsmittel in der Stadt
Downloads
- „Future role for voluntary carbon markets in the Paris era“ UBA (PDF)
- „Analyse und Bewertung von Waldprojekten und entsprechender Standards zur freiwilligen Kompen- sation von Treibhausgas-
emissionen“ UBA (PDF) - „Voluntary CO2-Offsetting through climate protection projects“ (PDF)
- What makes a high-quality carbon credit? (PDF)
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Drei Exemplare des Buchs #klimaretten stehen zur Verlosung. Teilnahme über dieses Formular bis zum 31.8.2021. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
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Transkript
Das manuelle Transkript wurde erstellt von Audiotyped.
Rainer Grießhammer: Große Visionen erfordern ja handfeste Umsetzungen.
Klaus Reichert: Sonst wird‘s nichts. Das Angehen von Maßnahmen in Richtung Klimaneutralität löst fast zwangsläufig Innovationen aus.
Rainer Grießhammer: Ja, wirklich fast zwangsläufig. Und sie lösen vor allem dann Innovation aus – und da ist mir noch mal wichtig zu sagen – wenn eben nicht nur CO2 reduziert wird, sondern auch andere Vorteile geschaffen werden.
Willkommen beim Smart Innovation Podcast! Mein Name ist Klaus Reichert. Ich bin Unternehmensberater und Businesscoach für Innovationen. Von Baden-Württemberg aus begleite ich zukunftsorientierte Unternehmer und Unternehmerinnen sowie ihre Teams remote. Im Smart Innovation Podcast spreche ich mit engagierten und kreativen Menschen über Innovationen, über Innovationsmanagement, Unternehmertum und Verantwortung, gerade im Kontext des Klimawandels. Es geht um innovative, agile Organisationen mit Vision, Dynamik und Energie, sowie den passenden Vorgehensweisen Neues auch enkeltauglich zu entwerfen. Ebenso geht es um wechselnde aktuelle Themen wie neue Geschäftsmodelle, nachhaltige Produkte und digitale Dienstleistungen. Bei den Live-Aufnahmen haben die Teilnehmenden Gelegenheit sich einzubringen, Fragen zu stellen und mitzureden. Neue Episoden erscheinen dann zum Wochenende. Die aktuellen Termine und alle bisherigen Folgen sind auf klausreichert.de/podcast. In jeder Folge gibt es ein kurzzeitig verfügbares Angebot. So wird Innovation für die Teilnehmenden lebendig und gleich umsetzbar. Der direkte Link zur Episode ist in den Shownotes. Dort gibt es auch weiterführende Informationen, Videos und ein Transkript.
Klaus Reichert: Ich freue mich schon heute auf unser Gespräch. Wir haben ein spannendes Thema, das immer mehr in unserer Mitte angekommen ist, zum Glück, nach ziemlich langer Zeit. Es geht um die Herausforderungen der Klimaneutralität für Unternehmen. Da bin ich besonders froh, dass wir heute Rainer Grießhammer hier mit dabeihaben als Gesprächspartner. Prof. Dr. Rainer Grießhammer ist Honorarprofessor für nachhaltige Produkte an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg und Bestseller-Autor. Er war langjähriger Geschäftsführer und Wissenschaftler am Öko-Institut in Freiburg. Eine besondere Anerkennung seiner Leistungen war die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes. Als Wissenschaftler wendet er sich sehr pragmatisch auch an Verbraucher unter anderem mit dem #klimaretten-Buch und den zugehörigen Videos. Wir kennen uns schon seit Mitte der 90er Jahre.
Du bist Bestseller-Autor, du bist in vielen, vielen Themen unterwegs. Ich kenne dich als den Klima-Knigge-Autor, ich kenne dich als den Autor des Öko-Knigge 1983, und ich bin sehr froh, dass du heute hier mit dabei bist. Herzlich willkommen zum Smart Innovation Podcast! Herzlich willkommen, Rainer Grießhammer! Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast, heute hier dabei zu sein.
Rainer Grießhammer: Hallo Klaus und auch Hallo in die Runde! Ich bin auch gespannt auf den Podcast und die heutige Diskussion, in der Art zum ersten Mal, was ich so mache.
Klaus Reichert: Was war für dich eigentlich dein Auslöser, dein Start mit der Thematik? Ich sag mal in Anführungszeichen „Nachhaltigkeit“, weil das hat ja über eine sehr lange Zeit sehr viele Worte dann auch gehabt. Du kennst das Thema schon lange.
Rainer Grießhammer: 85, ja. Interessanterweise (unv. #00:04:15.2#) mit dem Begriff Nachhaltigkeit bereits vor der Rio-Konferenz wohl der Begriff eigentlich überhaupt weit kommuniziert wurde. Und zwar hat das Öko-Institut einige Jahre vorher eine neue Methode zur Bewertung von Produkten vorgeschlagen, die sogenannte Produktlinien-Analyse. Wo gesagt wurde, man soll die gesamte Produktlinie untersuchen und dann die ökologischen, ökonomischen und sozialen Auswirkungen und auch den Nutzen. Das war eigentlich der Vorschlag für eine Nachhaltigkeits-Analyse, nur haben wir das nicht so genannt, sondern Produktlinien-Analyse. Und am Anfang waren alle ein bisschen irritiert, haben gesagt, na ja, also Ökologie könnten wir noch verstehen, aber alle drei Dimensionen? Und das ist eigentlich erst nach der Rio-Konferenz dann so richtig gewürdigt worden.
Klaus Reichert: Ist es denn schon richtig gewürdigt worden? Also manchmal hat man den Eindruck, es dauert immer noch sehr, sehr lange, bis noch mehr Menschen begreifen, worum es eigentlich denn geht.
Rainer Grießhammer: Na ja, also gewürdigt worden auf jeden Fall, dass es klar wurde, wie das Konzept ist. Es hat tatsächlich bei Nachhaltigkeit ja zwei unterschiedliche Rezeptionen gegeben. In den Industrieländern des Nordens wie in Deutschland hat man eigentlich nach wie vor die Betonung auf Ökologie gehabt. Und auch, wenn man jetzt Leute in Unternehmen gefragt hat oder in der Umgebung, was ist ein nachhaltiges Produkt, dann wurde immer ein ökologisches Produkt vorgestellt. In den Ländern des Südens, in Entwicklungs- und Schwellenländern, da wurde vielmehr die soziale Seite betont. Und von daher war das schon mit der Umsetzung ein sehr langer Prozess. Und es ist eigentlich auch heute noch so, dass es sehr viele Ökobilanzen von Produkten gibt, aber eigentlich nur ganz wenige Nachhaltigkeits-Analysen. Und wenn wir jetzt gerade im heutigen Thema Klimaneutralität und auch klimaneutrale Produkte dann übergehen, dann merkt man ja auch, das ist eigentlich auch wieder zuerst mal eine Reduktion auf die ökologische Auswirkung von Produkten. Und da sogar noch auf eine engere, nämlich nur auf die CO2-Emissionen von Produkten. Wobei, das will ich dann nachher noch mal sagen, dass eben sehr oft Maßnahmen, die zur CO2-Reduktion führen, auch noch andere Vorteile haben auf andere ökologische Bereiche und auch soziale Bereiche.
Klaus Reichert: Das heißt also, wir müssen schon ein bisschen vorsichtig sein mit den Worten, die wir wählen, weil natürlich jedes Wort seine eigene Bedeutung hat, aber auch hier Abgrenzungen notwendig sind?
Rainer Grießhammer: Ja, unbedingt! Und das stimmt erst recht für den Begriff Klimaneutralität. Das ist ja gleichzeitig eine Beschreibung von einem bestimmten Zustand, einem angestrebten Zustand oder bereits erreichten Zustand, dass eben ein Produkt oder eine Organisation klimaneutral ist oder werden will. Es ist aber auch eine Art Konzept oder Strategie, wie man dahinkommt. Von daher schon mal sozusagen eine doppelte Funktion. Und hinzukommt, dass es dann im Detail einfach sehr, sehr unterschiedliche Interpretationen gibt, aber auch Festlegungen, was jetzt eigentlich genau unter Klimaneutralität verstanden wird. Das müssen wir dann noch mal in aller Tiefe anschauen.
Klaus Reichert: Was wären denn, so ganz plakativ, zwei vielleicht sogar entgegengesetzte oder weit auseinanderliegende Definitionen von diesem Thema Klimaneutralität, die dir jetzt ad hoc einfallen? Oder was ist deine Lieblingsdefinition?
Rainer Grießhammer: Da kann ich mich zurückziehen auf ein Urteil vom Oberlandesgericht Koblenz 2011, wo eine Verbraucherzentrale geklagt hat. Und da wurde so sinngemäß gesagt: Klimaneutral heißt, dass die CO2-Emission bei der Herstellung von Produkten oder einzelne Aktivitäten durch Kompensationen vollständig ausgeglichen werden. Also so eine ausgeglichene CO2-Bilanz oder so eine Netto-Null-Bilanz. Das ist eigentlich eine relativ klare Definition von Klimaneutralität. Die große Frage, die dann aber dahintersteht, ist die: Welcher Teil der Organisation wird denn tatsächlich klimaneutral gestellt? Ist es die ganze Organisation? Sind es alle Produkte, sind es nur einzelne Produkte? Oder sind es zum Beispiel nur Teile von bestimmten Produkten, dass man zum Beispiel sagt, die Verpackung ist klimaneutral, aber der Inhalt nicht, ist nicht klimaneutral hergestellt? Oder wenn man Unternehmen nimmt, ein ganz aktuelles Beispiel, die Automobilindustrie zeichnet sich jetzt dadurch aus, dass praktisch alle großen Hersteller sagen, sie sind entweder jetzt schon klimaneutral oder wollen es in wenigen Jahren werden. Da ist man zuerst mal begeistert und sagt „toll“. Wenn man dann genau hinschaut, dann meinen die aber zuerst mal nur die engere Produktion, also hier in Deutschland, nicht die ganzen Zulieferer, also die Herstellung von Aluminium, von Stahl und so weiter, und auch nicht die Nutzung von den Autos. Und wenn man jetzt die gesamte Produktlinie von Autos anschaut und sagt, das sind 100 Einheiten, also 100 Einheiten von CO2-Emissionen, dann ist die engere Produktion eigentlich 1 bis 2 %. Das heißt, was die Automobilindustrie dann sagt, was aber trotzdem zuerst mal in Ordnung ist, dass sie dahinkommen will, sie sagt aber nur, dass sie eigentlich 1 bis 2 % von den Gesamtemissionen kompensieren will. Wie gesagt, jeder erste Schritt ist löblich, aber in der Öffentlichkeit wird das natürlich sehr oft anders verstanden.
Klaus Reichert: Das heißt aber auch, dass ein Unternehmen in gewisser Weise natürlich auch seine Grenzen kennen muss oder vielleicht auch verschiedene Horizonte aufbauen muss für dieses Thema Nachhaltigkeit im Unternehmen, Klimaneutralität im Unternehmen. Dass man anfängt mit einem bestimmten Schritt, mit einer bestimmten Grenze, die man auch wirklich genau ziehen muss, definieren muss, um dann die nächsten Schritte, die nächsten Horizonte genauso auch eben mitdefinieren muss und dann eben das im nächsten Schritt angehen muss, damit das glaubwürdig ist?
Rainer Grießhammer: Genau! Wichtig ist, dass das zuerst mal eine faire Beschreibung ist von dem, was man machen will, und dass es dafür auch wirklich adäquate Maßnahmen gibt, um dieses Ziel zu erreichen. Und dann sage ich, das klingt jetzt vielleicht ein bisschen überraschend, also lieber weniger, aber das richtig, als umgekehrt. Also nicht ein großes Ziel ausrufen, das man dann gar nicht einhält, sondern zuerst mal Ziele ausrufen, die man einhalten kann. Und da ist natürlich ein erstes Ziel, dass man sagt, wir versuchen das im engeren Unternehmen zu machen. Als zweites Ziel kann man sich später stellen oder parallel, man versucht, auf die Zulieferer einzuwirken. Und genauso kann man natürlich durch die Art der Produktentwicklung auch auf die Nutzung der Produkte oder Dienstleistungen einwirken. Es gibt da so eine GRI Global Reporting Initiative, die sagen dann Definition nach drei sogenannten Scopes, also Rahmensetzungen. In Scope 1 heißt es, die Emissionen zu reduzieren, die wirklich unmittelbar aus dem Werk rausgehen. Also man hat einen Einsatz von Erdöl innerhalb in Heizung oder in einem Prozess, es gibt CO2-Emissionen und die werden im Scope 1 beschrieben. Und die meisten Unternehmen, die sagen, sie sind klimaneutral, verpflichten sich auf jeden Fall das möglichst in Richtung Null zu bringen und wenn das nicht gelingt, zu kompensieren. Der nächste Rahmen, der Scope 2 heißt: Die bezogene Energie bezieht also Strom extern oder Fernwärme, die wird möglichst klimaneutral bezogen. Der Scope 3, der bezieht dann einerseits alles auf den Upstream-Weg, also bis hin zur Fabrik ein, also Lieferung von Rohstoffen, Transporte dahin und was passiert nach der Produktion mit den Produkten, mit Nutzungen, mit Recycling und mit Entsorgung. Also das erste, was ein Unternehmen im Prinzip ganz klar sagen sollte, ist, über welches Scope redet das Unternehmen, wo sollen die CO2-Emissionen wirklich reduziert werden.
Klaus Reichert: Also erst mal auch eine Transparenz in den Zielen, in den erreichten Inhalten, ähnlich wie man das zum Beispiel auch mit der Bilanz macht oder wenn man eine Aktiengesellschaft ist, eben mit den Berichten, die man dann an die Aktionäre eben auch liefert?
Rainer Grießhammer: Ja. Und ich meine, man kennt das ja von großen Konzernen, die haben ja 1000 Tochtergesellschaften, ich übertreibe jetzt, viele Tochtergesellschaften, und erste Frage ist: Sind die in der Bilanz drin oder nicht? Und dann ist es natürlich komplett unterschiedlich, was bilanziert wird. Und sobald das mal definiert ist, dann gibt es ja ähnlich wie beim ökonomischen Bilanzrecht entsprechende Methoden und DIN-Vorschriften zur Bilanzierung der CO2-Emissionen, also die DIN 14044 oder 14064, da steht im Prinzip drin, wie man die CO2-Emissionen entlang der Produktlinie oder in einem Unternehmensteil bilanziert. Da wird es dann wesentlich konkreter. Es gibt dann immer noch sozusagen einige (unv. #00:15:48.6# Sollpunkte?), wo man drüber diskutieren kann, zum Beispiel welche Art von erneuerbaren Energien bezieht man und wie werden die bewertet? Aber trotzdem ist es zuerst mal so wie bei der klassischen Bilanz, wo eben vieles vorgeschrieben ist und klar benannt wird und wo man auch darauf vertrauen kann, dass das sozusagen einigermaßen einheitlich bilanziert wird. Es gibt ja auch entsprechende Vorschriften zur Prüfung, bei der Ökobilanz heißt das Critical Review, genauso wie eben eine ordentliche Bilanz auch noch extern geprüft wird von einem Unternehmen.
Klaus Reichert: Du hast eine DIN-Norm gesagt, das heißt, jetzt wird‘s ernsthaft. Und ich höre immer wieder in Gesprächen mit Unternehmen, dass sie glauben, dass eben diese ganzen Klimamaßnahmen sich erst mal nicht rechnen, nicht notwendig sind und vor allem einen Haufen Extra-Aufwand machen. Jetzt kommst du mir mit DIN-Normen und im Grunde ist es ja jetzt schon so, das ist ja fast schon der Beweis, dass es komplizierter wird das Leben.
Rainer Grießhammer: Na ja, eine gewisse Komplexität kann man nicht wegdefinieren. Aber im Prinzip hat eigentlich jedes Unternehmen, das ordentlich geführt wird, hat die Daten, muss die Daten haben, um eine Unternehmensbilanz, eine ökologische Unternehmensbilanz oder eine Produktbilanz zu machen. Und wenn das Unternehmen das nicht hat, dann ist schon was faul im Staate. Das heißt, ein gutes Unternehmen hat die Daten und braucht auch die Daten. Und gerade im Hinblick auf die Erfassung von CO2-Emissionen ist es ja mittlerweile auch ökonomisch extrem wichtig, weil ich glaube, jedem ist klar, dass die CO2-Bepreisung kommt. Wir haben die schon im Emissionshandel über die Zertifikate. Da sind jetzt in erster Linie Energieversorger und große Chemieunternehmen und Rohstoffproduzenten betroffen. Aber sobald deren Kosten steigen, steigen natürlich auch die Kosten für die Energie und die Zulieferer. Und wir haben jetzt auch noch sozusagen den zweiten, da wird noch gestritten, wie man es nennen darf, ob es ein Emissionshandel ist oder eine Besteuerung von den Brennstoffen in Privathaushalten, in Gewerbe und kleiner Industrie, was jetzt in dem Jahr startet mit 25 Euro pro Tonne CO2. Wenn man ins Ausland schaut und wenn man auch die Entwicklung von den CO2-Preisen oder Besteuerung oder Zertifikatspreisen anschaut, dann gibt es nur eine Tendenz nach oben. Wir haben das jetzt auch schon im Wahlkampf, diese 16 Cent beim Benzin, wo die Grünen vorgeschlagen haben, das bereits 2023 einzuführen. Ist ja gesetzlich schon vorgeschrieben für das Jahr 2025. Also alles geht eigentlich in Richtung 60 Euro pro Tonne oder noch höher. Ein Unternehmen, das nicht weiß, wie seine eigenen CO2-Emissionen sind, wird einfach auf einem linken Fuß erwischt. Das heißt aber, wenn man jetzt eine Strategie entwickelt zu Klimaneutralität, dann ist es auch eine Strategie, die eben ganz klar wirtschaftlich begründet ist. Dass man einfach sagt, man kann sich frühzeitig darauf einstellen, man kann frühzeitig für Kostenreduzierungen sorgen, man kann auch sozusagen wirklich ganz neue Innovationen finden, Innovationssprünge machen für Produkte und Dienstleistungen. Man kann auch vieles, das hört sich jetzt ein bisschen merkwürdig an im Zusammenhang mit Emission, man kann die alten Schubladen öffnen, weil da stehen ganz oft schon tolle Vorschläge drin, die aus Kostengründen verworfen worden sind. Und wenn man die nochmal neu berechnet mit 60 oder 80 oder 100 Euro pro Tonne CO2, dann sind die plötzlich wirtschaftlich vorteilhaft.
Klaus Reichert: Das heißt, wir tun gut daran, mit dem Erfassen, Sammeln von unseren Daten nicht nur auf der, ich sag mal, Euro-bilanziellen, sondern auch auf der, in Anführungszeichen, „nachhaltigkeits-bilanziellen“ Seite anzusammeln und aufzulisten. Da freuen sich jetzt die ganzen Data Science Leute, die wahrscheinlich viel Spaß an all diesem Erfassen und Finden von Modellen und so weiter haben, das man dann auch natürlich vergleichbar machen kann mit anderen. Da gibt’s ja auch mittlerweile schon einige Tools, die hier helfen. Das ist notwendig, weil gerade die Gesetzgebung von außen darauf abzielt, CO2 zu bepreisen und dadurch Kosten im Unternehmen entstehen zu lassen. Das kann ich dann auch vermeiden, indem ich anfange, etwas zu tun dagegen.
Rainer Grießhammer: Auf jeden Fall! Wie man da vorgeht, das werden wir gleich noch mal besprechen. Aber was wichtig ist, dieser Druck kommt einerseits aus der Klimaerhitzung, aus der Bedrohung und damit auch verzögert aus der Gesetzgebung, der kommt aber auch aus dem Markt. Einerseits von Privatkunden, die das wollen, aber seit wenigen Jahren ganz massiv auch von den Unternehmen selber. Also es gibt mehrere Unternehmensinitiativen und mehrere Unternehmen, große Unternehmen, die sich verpflichtet haben, bis zu einem bestimmten Jahr CO2-neutral zu werden, und zwar für die gesamte Kette. Und kaum haben sie das ausgesprochen, gehen sie mit dieser Aussage zu ihren Zulieferern und sagen, bitte weist mir mal nach, dass ihr klimaneutral seid. Das heißt, dieser Druck kommt eben nicht nur von der Gesetzgebung und steigenden CO2-Preisen, sondern er kommt einfach auch von anderen Unternehmen. Also jeder Zulieferer von IKEA, von Bosch, von den Automobilherstellern, von der Chemieindustrie wird jetzt gefragt: Wie produzierst du eigentlich deinen Rohstoff, dein Halbzeug, dein fertiges Produkt? Wie sehen deine Autos aus? Und so weiter und so fort.
Klaus Reichert: Wie hältst du es mit der Nachhaltigkeit? Das war jetzt, glaube ich, Goethe, frei abgewandelt.
Das war die Gretchenfrage von Faust, nur leicht anders.
Rainer Grießhammer: Ah ja. Na da, ich habe zwar Faust I gelesen, es war tatsächlich eines der wenigen von diesen klassischen Büchern, die mir in der Schule sehr gut gefallen haben. Aber diese Anspielung habe ich jetzt doch nicht mehr im Kopf gehabt.
Klaus Reichert: Und ich komme nicht drauf, was es ist, also was das Original war. Aber das spielt jetzt keine Rolle, wir sind an einer anderen Stelle.
Rainer Grießhammer: Aber die Frage ist jetzt, wenn wir jetzt an die Stelle zurückkehren: Wie macht man jetzt eigentlich denn eine CO2-Bilanz? Das ist halt der erste Schritt innerhalb von der Strategie zur Klimaneutralität, dass man überhaupt mal sagt, man macht eine CO2-Bilanz vom Unternehmen oder von einem Produkt oder Unternehmensteil oder einzelne Aktivitäten und dann erfasst man halt die ganzen eingesetzten Rohstoffe, Energieträger und so weiter. Und da gibt es in der Regel auch für die jeweiligen Stoffe oder Energieformen und Energieeinheiten schon sogenannte Modulwerte in der Literatur oder in vorhandener Software und kann dann daraus die CO2-Bilanz erstellen. Im Detail ist es schon noch ein bisschen komplizierter, wie du gesagt hast, aber ja, man hat dann die CO2-Bilanz. Und dann gibt es eigentlich eine ganz klare Ansage, wie man die CO2-Emissionen reduzieren kann. Das ist wirklich der wichtigste Schritt, dass man zuerst mal versucht, die CO2-Emissionen zu reduzieren. Und der erste Schritt ist, was viele Unternehmen natürlich auch schon gemacht haben, die ganzen Prozesse anzuschauen und zu schauen, wo kann man da Energie reduzieren? Also Energieeffizienz. Es gibt manchmal auch noch andere Möglichkeiten bei bestimmten Lösemitteln oder Kältemitteln, die eingesetzt werden, wo man auch damit zum Beispiel Treibhausgase oder CO2-Äquivalente reduzieren kann. Aber das ist der erste Schritt. Da muss man sagen, dass der in gut geführten Unternehmen meistens gar nicht mehr so wahnsinnig viel bringt, weil das die Unternehmen ja einfach schon in den letzten zehn, 20 Jahren gemacht haben, schon aus Kostengründen, dass sie einfach versucht haben, Energieprozesse effizienter zu machen. Allerdings wurde dann oft gesagt, ja, da könnte man schon noch viel erreichen, aber das kostet zu viel. Und jetzt mit CO2-Preis kann das plötzlich anders aussehen. Aber das ist der erste Schritt. Der zweite Schritt ist, dass man sagt: Wir versuchen, möglichst viel von unserer eingesetzten Energie durch erneuerbar erzeugte Energie zu ersetzen, also durch Strom aus Photovoltaik oder entsprechend erzeugter Fernwärme.
Klaus Reichert: Oder aus einem dieser bösen, hässlichen Windräder, die die Landschaft verschandeln. Sorry! Das war Ironie.
Rainer Grießhammer: Und in der Regel ist es auch so, man braucht tatsächlich beides, weil das sich sehr gut ergänzt, Photovoltaik und Windenergie, von den Zeiten, wo sie jeweils besonders sozusagen sich erzeugen lassen. Und dann kann man eben versuchen, viel von erneuerbarer Energie einzusetzen. Da gibt es eigentlich ein großes Problem. Das ist nämlich das Problem der Doppelzählung. Also wer zahlt eigentlich dafür, dass jetzt zum Beispiel Ökostrom erzeugt wird? Und da gibt es auch unterschiedliche Bewertungen innerhalb der Bilanzierer und auch von den verschiedenen CO2-Initiativen oder Klimaneutralitäts-Initiativen. Ich muss das an der Stelle einfach sagen, weil das kommt unweigerlich im Laufe des Prozesses. Das Öko-Institut, IfEU, Wuppertal Institut und andere sagen, wenn Ökostrom mit Zuschüssen, EEG-Zuschüssen finanziert worden ist, dann ist das praktisch gesellschaftlich finanziert und dann darf man sich die CO2-Emissionen nicht gutschreiben lassen, sondern nur gutschreiben lassen, wenn man selber eine eigene Anlage baut ohne staatliche Zuschüsse. Aber wie gesagt, da gibt es einen Streit innerhalb von den Bilanzierern und Initiativen. Viele sagen ja, also Ökostrom ist Ökostrom und das schreiben wir uns gut. Nur dadurch verändert sich natürlich an den Gesamtemissionen der Welt relativ wenig. Wenn das sowieso schon produziert wird und man sich das dann einfach bilanziell zuordnet, dann ist das zwar okay, aber es wird dadurch keine einzige Tonne CO2 zusätzlich vermieden. Das ist sozusagen der große Unterschied.
Klaus Reichert: Das heißt, da geht’s dann darum, im Grunde Maßnahmen zu fördern, die helfen, selber was zu tun, noch mehr zu tun?
Rainer Grießhammer: Genau! Ideal wäre jetzt, es gibt ja schon die ersten großen Windkraftanlagen in der Nordsee, die gebaut werden ohne staatliche Zuschüsse, es gibt jetzt auch einen großen Run auf die Förderung von entsprechenden Anlagen im Ausland, also Chile ist jetzt große Diskussion, Neuseeland, wo man eben noch relativ kostengünstig Anlagen, also deutlich kostengünstiger als hier zu Lande eine Aufstellung der Anlagen bauen kann. Und wenn das Unternehmen das dann macht und sagt, ja, wir finanzieren das, wir haben zwar da durchaus auch eine Rendite durch den Stromverkauf, aber zusätzlich haben wir hohe CO2-Einsparung, wenn wir das quasi ins Netz einspeisen, dann kann man das quasi wirklich gegenrechnen bilanziell und sagen, damit verringern wir quasi unsere CO2-Last.
Klaus Reichert: Also das ist dann nicht staatlich gefördert worden und deswegen sagen die Profis auch, hey, das ist jetzt ein echtes Ding, was tatsächlich CO2 reduziert hat, was du als Unternehmen dafür machst?
Rainer Grießhammer: Genau! Weil das war sozusagen der zweite Schritt. Erste Schritt war Energieeffizienz, zweiter Schritt war sozusagen eigene erzeugte erneuerbare Energie einsetzen statt fossiler Energie. Und wenn Unternehmen das alles gemacht haben, dann werden sie feststellen, dass sie aber trotzdem noch einen Teil an CO2-Emissionen haben, die sie nicht vermeiden können. Und für diesen Teil kann man dann Zertifikate kaufen über eingesparte CO2-Emissionen an anderer Stelle. Wir kennen das, glaube ich, alle vom Fliegen mit atmosfair, wo man sagt, Fliegen ist CO2-intensiv und dann kann man so quasi eine Kompensation sich kaufen. Und das kann man natürlich als Unternehmen auch im großen Maßstab machen. Diese Frage, welche Kompensationszertifikate, ist wiederum auch eine Frage, die gewisse Probleme aufwirft, auch Kommunikationsprobleme. Da muss man also wirklich aufpassen. Das sollten wir einfach am Schluss nochmal drauf eingehen. Eine ganz interessante Frage ist aber: Ab wann sagt ein Unternehmen, jetzt ist es zu teuer noch Energieeffizienz weiterzutreiben oder erneuerbare Energien einzukaufen? Und jetzt fangen wir an mit Kompensationen. Also wo ist sozusagen der Schwellenwert an den Vermeidungskosten? Da kann man keine generelle Empfehlung geben, außer der, dass es so eine allgemeine Empfehlung gibt, das sollten die Vermeidungskosten sein, die auch gesellschaftlich diskutiert werden zu erreichen, des Ziels von der Pariser Konvention. Und das ist so eine Größenordnung von 40 bis 80 Euro pro Tonne CO2. Also wenn man in den Bereich kommt, ab dann kann man zu Kompensationsmaßnahmen übergehen. Darunter sollte man das eher nicht machen. Und gerade, wenn man sieht, dass die CO2-Besteuerung jetzt schon in Richtung 60, 80 Euro pro Tonne geht und man einfach auch für die nächsten Jahre richtungssicher sein will, sollte man diesen Schwellenwert der Vermeidungskosten eher ein bisschen höher legen. Also übersetzt heißt das: Wenn eine Energiemaßnahme umgerechnet 35 Euro pro Tonne CO2 kostet, also bezogen auf eingespartes CO2, dann sollte man die auf jeden Fall noch machen als Unternehmen, wenn es, ich sage jetzt mal, 95 oder 120 Euro kostet, dann wird das einfach noch Sinn machen gute Kompensationen zu wählen. Was ich da auch ganz interessant finde, dass einige Unternehmen wie zum Beispiel Volkswagen jetzt mit sogenannten Schattenpreisen rechnen in ihrer Bilanz. Also die sagen, heute kostet uns das CO2 so und so viel, aber eigentlich ist es ja gar nicht gerecht, der Preis müsste eigentlich viel höher sein. Der wird auch höher werden. Und jetzt rechnen wir die Bilanz nochmal durch mit einem sogenannten Schattenpreis. Also nicht wie heute jetzt, bis vor kurzem waren die Emissionszertifikate beim Emissionshandel so 25 Euro, interessanterweise sind sie jetzt schon anderthalb Jahre später über 50. Aber schon, als sie 25 waren, hat dann Volkswagen, glaube ich, schon mit 60 Euro pro Tonne gerechnet. Und dann kommen plötzlich eben ganz andere Maßnahmen und Innovationen in Frage. Das ist eigentlich wirklich eine Empfehlung für jedes Unternehmen: Rechnet einfach noch mal eure Bilanz durch, wo ihr für die CO2 Preise, wo immer ihr die zuordnen könnt, nehmt da mal einen höheren Wert von 60 Euro oder ich würde mittlerweile eher 100 Euro nehmen und mehr. Weil der wird euch sowieso in wenigen Jahren erwischen und dann könnt ihr eigentlich frühzeitig entscheiden, in welche Richtung ihr gehen wollt. Ich sage immer, das Wichtigste ist zuerst mal zu wissen, was man machen kann und machen sollte. Und der Aufwand ist auch nicht groß. Man kann es dann ja immer noch verwerfen und sagen, ich glaube nicht, dass der so hochsteigen wird oder was auch immer. Aber das nicht zu machen, ist fast sträflich.
Klaus Reichert: Du, wir haben hier gerade eine Frage von Jonas Wilke), und zwar sagt er, er hat mit KMU zu tun, die für 1,34 Euro die Tonne CO2-Kompensation betreiben. Ist das ein adäquater Preis?
Rainer Grießhammer: Das ist jetzt, wo ich vorher sagte, das nehmen wir am Schluss dran. Das ziehen wir jetzt einfach vor. Sobald eine Frage kommt, ist das ja auch viel spannender, die sofort zu beantworten.
Klaus Reichert: Ich dachte, das passt jetzt hier vielleicht auch gerade dazu.
Rainer Grießhammer: Ja. Nein, das passt perfekt. Es ist eben so, es gibt alle möglichen Kompensationen, also alle Arten von Kompensation, und die sind unterschiedlich teuer. Also im Prinzip heißt ja, wenn man ein Zertifikat kauft, für eine Kompensation, dass irgendwo auf der Welt oder auch mal in Deutschland ein Prozess finanziert wird, gefördert wird, der ohne diese Zertifikate nicht zustande käme. Und diese Prozesse können zum Beispiel sein, man hat in Südafrika gesehen, es gibt keine gute Abfallentsorgung, vor allem ganz viele Bioabfälle, die so verrotten, Methan freisetzen. Und eigentlich könnte man jetzt sehr viel CO2 sparen und vor allem auch Methan, das ja besonders hohe CO2-Äquivalente hat, indem man Biomasse-Kraftwerke baut. Wenn man jetzt nachweisen kann, dieses Biomasse-Kraftwerk kommt nicht zustande ohne diese Förderung, dann kann man sagen, dann kann man das nehmen und fördern aus Zertifikaten und hat dann tatsächlich andernorts CO2-äquivalente Treibhausgase reduziert. Dann gibt’s aber auch Maßnahmen, die sind noch günstiger und das sind zum Beispiel Aufforstungsprojekte. Das heißt, man sagt irgendwo, ach, da ist vor Jahrzehnten mal Urwald abgeholzt worden, den forsten wir jetzt auf. Da gibt es allerdings von der Qualität her total unterschiedliche Projekte. Also es hat tatsächlich Zertifikationsangebote gegeben, wo aus dem Hubschrauber Samen für Bäume gestreut wurden und gesagt, na, mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit wird da unten jetzt ein Baum oder Bäume wachsen, die vorher nicht gewachsen sind. Wir schauen dann gar nicht mehr hin, das wird rechnerisch gemacht. Dann kann man natürlich sagen, es wird eine gezielte Aufpflanzung geben. Dann ist die Frage: Wird da auch noch nächstes Jahr drauf geschaut oder übernächstes Jahr? Oder wie wird dafür gesorgt, dass dann nicht irgendwelche Leute kommen und das einfach im nächsten Jahr wieder abholzen? Also wie lange hält das eigentlich vor? Und je nachdem, wie hoch die Qualität ist, sind die Preise sehr unterschiedlich. Und dann gibt’s noch Kompensationsprojekte, die sind noch billiger, das heißt, das sind solche, wo man durch die Maßnahme verhindert, dass es eine Abholzung gibt. Das hat jetzt zum Beispiel Volkswagen gemacht, das hat praktisch in einem größeren Gebiet in Borneo praktisch eine Organisation gefunden, die gesagt hatten, wir haben da grad nebendran die Papierindustrie, die will eigentlich dieses Gebiet abholzen und zu Papier verarbeiten, dann gäbe es halt CO2-Emissionen oder Freisetzungen, und wir verhindern das, indem wir dieses Gebiet schützen. Und das ist natürlich total billig, da kommt man dann auf diese Größenordnung, die der Fragesteller gesagt hat, von 0,35 Euro. Die meisten Aufforstungsprojekte liegen so bei 1 Euro, 10 Euro, also einfach noch mal sehr, sehr günstig. Wie ist das bei Volkswagen weitergegangen? Es gab eine massive Kritik. Zum Beispiel Greenpeace hat dann gesagt: Das ist völlig absurd. Dieses ganze Gebiet ist schwer zugänglicher Torfmoor, da wäre die Papierindustrie gar nicht reingegangen. Was ihr sagt, das wäre gar nicht passiert. Das heißt, man merkt, verkürzt gesagt, je billiger diese Zertifikate sind, umso schwieriger sind die, umso umstrittener sind die. Also gute Zertifikate, die hohe Standards einhalten, die kosten eher 25 bis 30 Euro aufwärts. Es gibt eben eine ganze Reihe von Anforderungen an solche Kompensationsprojekte und vor allem ist auch gefährlich das Prinzip der Doppelzählung. Und das wird jetzt mehr und mehr auch sich noch verschärfen. Eine Doppelzählung heißt, also Beispiel: Es gibt eine Aufforstung in Malaysia und dann gibt’s einen Zertifizierer, der sagt, hier, ich verkaufe dafür Zertifikate. Und gleichzeitig macht die malaysische Regierung nach der Pariser Rahmenkonvention eine Deklaration, dass sie so und so viel CO2-Emissionen reduziert zum Beispiel durch Aufforstungen und zählt dieses Gebiet auch. Das heißt, dann gibt es plötzlich eine Doppelzählung. Also jemand zahlt privat dafür und es wird international nochmal über die Deklaration von Malaysia doppelt gezählt.
Klaus Reichert: Da haben wir im Grunde dasselbe Problem, dieselbe Fragestellung, die wir vorhin schon national angestellt, angesprochen haben. Jetzt müssen wir nur ein bisschen aufpassen. Also dieses Thema ist ziemlich komplex, denke ich. Und da gibt’s vor allem auch einige große Diskussionen unter Experten noch, um das vor allem auch weltweit zu definieren, um da die richtigen Lösungen zu finden, auch die Standards vielleicht noch zu definieren. Das ist noch nicht fertig. Wir haben auch über große Unternehmen gesprochen. Aber jetzt mal angenommen, wir sind eben ein klassisches KMU. Da sind wir vielleicht mal 25, das sind wir 250, da sind wir 2500 Mitarbeitende. Da habe ich doch keine (unv. #00:41:39.3# Zeit?). Jetzt hast du aber gesagt, natürlich, klar, es gibt einen ökonomischen Anreiz sozusagen, das in wenigen Jahren schon anzugehen, das kommt. Und deswegen ist es sinnvoll da natürlich, weil es größere Projekte sind, eben gleich damit anzufangen oder vielleicht zumindest mal die Schubladen aufzumachen und zu gucken, was ist denn eigentlich noch da, auf was man aufbauen könnte. Dann hast du gesagt, ein wichtiger Punkt ist das Erfassen der Daten, damit ich weiß, wovon ich spreche: Wie viel Energie brauche ich? Wie viel Wasser brauche ich? Welche Verbrauche habe ich überhaupt, wie laufen die denn? Und, und, und. Um daraus dann eben herauszufinden, was an CO2 zum Beispiel Emissionen entstehen. Was ich mich jetzt gerade aber gefragt habe, und du hast es auch so ein bisschen angesprochen, ist, wir sprechen da ja dann auch als zum Beispiel produzierendes Unternehmen über die Produktion, und wenn es gut läuft, auch über das Recycling des Produktes, die Nutzer sind aber andere. Das kann man ja jetzt nicht einfach ohne weiteres einem Unternehmen dann zuschreiben, ich sag mal, CO2 in der Nutzung, weil es dem Nutzer nicht vorschreiben kann, wie man damit umgehen muss. Jetzt habe ich mich gerade gefragt: Brauchen wir da vielleicht auch bessere Verbindungen, so produktlebenslange Verbindungen zwischen den Unternehmen und den Nutzern, Käufern, Kund*innen, wie auch immer?
Rainer Grießhammer: Bevor ich darauf eingehe, noch mal ganz kurz: Kompensationen sind komplex, es gibt einfach sozusagen gute Standards wie Gold Standards. Das können wir dann einfach noch mal später in den Literaturverweis reinnehmen, dann hat man da eine gewisse Sicherheit. Und ansonsten noch der Hinweis: Alles was mit verhinderter Abholzung und Aufforstung zu tun hat, ganz kritisch hinschauen. Aber jetzt tatsächlich zur Frage, tatsächlich eine doppelte Frage. Die erste Frage ist: Wer ist eigentlich für was verantwortlich? Das ist zurzeit auch ein bisschen eine kuriose Diskussion und eigentlich auch eine ungelöste Diskussion. Wenn zum Beispiel Ikea sagt, wir werden klimaneutral, aber gleichzeitig seinen Zulieferern sagt, ihr müsst jetzt klimaneutral werden und womöglich jetzt beide eine CO2-Bilanz machen über die gesamten Produktlinien, dann gibt’s eine Doppelzählung. Das darf ja eigentlich gar nicht sein, das wäre jetzt in dem Fall sogar viel, viel mehr als gebraucht wird. Aber da muss es eigentlich tatsächlich innerhalb der ganzen Lieferketten Absprachen geben: Wer kann eigentlich mit welchem Aufwand am besten vermeiden? Das ist was, was kommen wird und was ich auch jedem Unternehmen empfehlen würde, genau diese Diskussion, wenn es an einen anderen Industriekunden liefert oder von anderen Industriekunden bekommt, das mit denen abzusprechen. Also dass man nicht als Unternehmen was mit wahnsinnigem Aufwand vermeidet, was ein anderes Unternehmen viel leichter machen könnte in der Lieferkette. Der zweite Teil, der geht ja in Richtung Nutzer, also ich nenne jetzt mal die Endkunden, also nicht Industriekunden, sondern B2C. Und da ist es natürlich so, dass jetzt in der Regel diese Kommunikation Produzent, Endkunden geht ja eher in eine Richtung. Also das heißt, bis auf wenige Ausnahmen kann der Produzent ja nur dazu beitragen, dass er die Produkte so konstruiert, dass sie möglichst optimal und CO2-sparend genutzt werden. Aber die Rückkopplung ist eigentlich selten möglich. Jetzt ganz einfache Beispiele aus der Vergangenheit waren: Man hat als Automobilproduzent natürlich die Möglichkeit genutzt, zumindest in gewissem Umfang, die Autos effizienter zu machen mit weniger CO2-Emissionen pro 100 Kilometer. Dann hat man so Sachen zur Verfügung gestellt, dass die Kunden ablesen können, wie ihr Verbrauch ist über 100 Kilometer. Damit hilft man im Prinzip den Kunden Benzin zu sparen, CO2 zu sparen oder dass automatisch der Luftdruck gemessen wird und Warnhinweise gegeben werden und so weiter. Oder es gibt Hersteller von Heizungsregelungen, die eine Automatik einbauen, wo im Prinzip das typische Verhalten von Kunden beobachtet wird. Dass man sagt, die gehen eigentlich immer um neun Uhr raus und aus dem Haus und dass dann sie ab und zu mal die Heizung ausschalten, aber manchmal auch vergessen, und dann macht das die Heizungsregelung automatisch. Der Kunde kann natürlich immer noch eingreifen, aber es wird sozusagen erleichtert. Da gibt es eine ganze Reihe von Möglichkeiten. Oder Waschmaschinen-Hersteller, die sagen, wir haben jetzt ein Waschmittel hergestellt, Procter & Gamble war der erste, dass bei 20 Grad wäscht mit befriedigendem und gutem Waschergebnis. Und kann dann sagen: Bitte, liebe Nutzer von Waschmittel, kauft einfach das, dann könnt ihr bei 20 Grad waschen oder bei 30 Grad waschen, dann spart ihr viel Strom. Also in die Richtung ist eigentlich viel passiert in der Vergangenheit. Und da gibt es jetzt natürlich auch neuere Entwicklungen. Ich will jetzt mal zwei nennen. Das eine, das wir jetzt alle kennen, das wir jetzt auch so halber betreiben mit einer Videokonferenz, wo durch Corona im Prinzip wir alle gemerkt haben: Mensch, auf ganz viele Vor-Ort-Konferenzen und Treffen kann man ja verzichten. Durch diesen Druck der Pandemie wurde auch die Software wirklich sehr optimiert. Viele Leute haben Erfahrung gesammelt, sind jetzt bereit das zu machen. Und das hat über den Rückgang der Flüge und der Dienstreisen mit Bahn oder mit Auto dazu geführt erstes Mal, dass sehr viel CO2 reduziert worden ist, aber auch sehr viel Zeit für die Mitarbeiter gespart worden ist, die sie sonst beim Reisen verplempern. Und auch sehr viel Kosten gespart worden sind für die Flüge, für Übernachtung und so weiter. Und eigentlich diese Optimierung der Dienstleistung ist ein tolles Beispiel, wie eigentlich in kurzer Zeit CO2 reduziert werden konnte. Ein anderes Beispiel ist, es gibt jetzt so ein unabhängiges kleines Unternehmen, das ein neues Elektroauto herstellt, auch schon ein Pilot-Auto entwickelt hat, den Sono Sion. Das ist nicht nur ein Elektroauto mit klassischer Lithiumionen-Batterie, sondern da sind auch noch Photovoltaik-Module in das Auto integriert, weil heute die starren flachen noch billiger sind, sieht das Auto ein bisschen ungewöhnlich aus. Perspektivisch, es gibt ja heute schon die Möglichkeit auch sozusagen gebogene PV-Module herzustellen, wird das sicher anders aussehen. Und die sagen ja, unter durchschnittlichen Wetterbedingungen, wenn man da draußen parkt und durchschnittlicher Nutzung, weil eigentlich fährt man ja nicht jeden Tag 200, 300 Kilometer, sondern meistens 30, 40 Kilometer, kann man eigentlich einen Großteil dann direkt sozusagen von der Sonne ernten. Und das ist auch ein Beispiel, ein frühes Beispiel, wo ich mir sicher bin, dass die Automobile in der Masse in zehn Jahren so aussehen werden. Dieser kleine Hersteller, der kann vielleicht noch scheitern, weil das ist immer noch ein großes Wagnis und sehr kostenintensiv, ein Auto mit den ganzen Zulassungen auf den Markt zu bringen und die Käufer zu finden, aber von der Art der Innovation ist es wirklich eine Sprunginnovation. Leider dauern ja manchmal Innovationen länger, da muss ich auch mal mein persönliches Schicksal berichten. Ich habe im Jahr 1988 das erste E-Bike in Deutschland benutzt und habe das damals beim TÜV angemeldet und habe das auch allen möglichen Leuten, die es hören wollen, nicht hören wollen, gezeigt. Das hat sich aber damals einfach nicht durchgesetzt. Wenn man allein gefahren ist, war das auch ein bisschen gefährlich, weil die ganzen Autofahrer haben das gar nicht kapiert, wie schnell man plötzlich starten kann oder wie schnell man fahren kann. Na ja, und das hat dann von 88 praktisch bis 2012, also 2013, fast 25 Jahre gedauert. Jetzt sind die E-Bikes gekommen und nachweisbar ersetzen die doch einen ordentlichen Teil von den täglichen Fahrten zur Arbeit und auch von Freizeitfahrten. Eigentlich auch eine ganz interessante Innovation und auch eine, die eher aus der Nische kam. Die Bundesregierung hat ja eher gesagt, wir wollen 1 Million Autos haben bis zum Jahr 2020, und sie wurde vorher schon überholt sozusagen von den privaten Käufern von E-Bikes, obwohl es da keine Förderung gegeben hat.
Klaus Reichert: Ich sehe auch, das E-Bike macht vieles möglich, was vorher so nur mit einem Auto zumindest in den Köpfen von den Menschen geschieht. Was mich aber auch jetzt nicht freut, ist, dass du sagst, dass es 25 Jahre gedauert hat, bis es in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Wenn ich das so beobachte, viele Dinge brauchen genauso lange, eine Generation. Also das ist sicher kein Zufall.
Rainer Grießhammer: Ja und Nein. Das ist tatsächlich die Erfahrung, was ja viele Unternehmen auch in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten hatten, dass es eben lange gedauert hat, bis Sprunginnovationen sich am Markt durchgesetzt haben. Jetzt auch mit dem Elektroauto, wo man eben merkt, ja klar, wenn die Batterien mit der Reichweite noch nicht so gut sind und vor allem, wenn es noch schwierig ist unterwegs zu tanken, dann dauert es eben länger. Wenn man das parallel gemacht hätte, hätte man die Zeit verkürzen können. Aber was sich verändert hat gegenüber den letzten Jahrzehnten, ist, dass wir jetzt viele extrem schnelle Entwicklungen haben und extrem schnelle Veränderungen von den äußeren Rahmenbedingungen. Beispiele, dass Rohstoffe knapp werden, wie wir jetzt gerade im Baubereich sehen. Sei es, dass andere Länder wie beispielsweise China plötzlich den Druck auf den Markt ausüben, also Stichwort Elektromobilität, das kommt ja ganz klar von China, und kommt dadurch auch viel schneller. Und es gibt natürlich durch die Klimaerhitzung und die CO2-Bepreisung auch noch mal einen massiven Druck und es gibt die schleichende Transformation, die wir zwar alle vom Namen her kennen, nämlich Digitalisierung, aber gar nicht so genau beobachten, und die treibt ja viele Prozesse in Windeseile voran. Das heißt eigentlich, dass man heute oft Innovationen in 1, 2, 3 Jahren wirklich erfolgreich durchziehen kann aus Sprunginnovationen, solange nicht ein aufwändiger Neubau von Produktionshallen dafür erforderlich ist. Aber alles, was man schnell zusammenkaufen kann, alles, was man schnell mit Dienstleistungen bewirken kann, hat eine enorme Dynamik bekommen. Und das merken ja auch die ganzen Unternehmen und sie merken das ja vor allem, dass sie am Markt ruckzuck von anderen bedrängt werden. Wo sie sagen: Wie? Das kann doch gar nicht sein, dass die schon sowas entwickelt haben? Oder dass völlig neue Player auf den Markt kommen wie jetzt vor kurzem mit der Post, die dann gesagt hat: Ja, dann tun wir mit diesen Aachenern zusammen eben unseren eigenen Elektro-Lkw herstellen, weil Mercedes irgendwie zu verschnarcht ist das zu machen. Oder Tesla oder Google, also Personen, Unternehmen, die vorher null Erfahrung hatten mit Automobilproduktion, können plötzlich Automobile produzieren lassen. Das heißt, das sind einfach ganz viele neue Konstellationen. Es gibt einen viel größeren Druck, es gibt eine viel größere Beschleunigung. Und das Gute an allen Maßnahmen zur Klimaneutralität ist, dass man fast schon automatisch dazu getrieben wird, diese anderen Sachen anzuschauen, weil man eben auch sieht, wenn man CO2-Emissionen deutlich reduzieren will, welche vielen neuen Möglichkeiten man dadurch hat.
Klaus Reichert: Das heißt also, das Angehen von Maßnahmen in Richtung Klimaneutralität löst fast zwangsläufig Innovationen aus?
Rainer Grießhammer: Ja, wirklich fast zwangsläufig. Sie lösen vor allem dann Innovationen aus, und das ist mir noch mal wichtig zu sagen, wenn eben nicht nur CO2 reduziert wird, sondern auch andere Vorteile geschaffen werden. Also der Veggie-Burger und viele vegetarische Produkte oder vegane Produkte, die haben ja zum Beispiel auch positive Auswirkungen auf die Gesundheit. Man argumentiert also nicht nur mit Reduktion von CO2-Emission, sondern das ist ja viel gesünder. Oder beim E-Bike war ja nicht, das haben glaube ich die wenigsten gekauft, weil sie damit CO2-Emissionen reduzieren können, sondern dass sie merkten, hoppla, da bin ich ja in der Stadt viel schneller als ein Auto. Also vor allem, wenn ich von Haus zu Haus, also mit Parkplatzsuche und allem das anschaue. In dem einen Video, das du vorher netterweise erwähnt hast, da haben wir auch mal so Wettfahrten gemacht oder Vergleichsfahrten in Freiburg mit dem öffentlichen Verkehr, mit dem Auto und mit dem Fahrrad und mit E-Bike. Und da hat man gesehen, dass in der Regel das E-Bike gewinnt, auf jeden Fall bei Entfernungen bis 10, 15 Kilometer innerstädtisch jetzt. Das ist eben auch noch mal ein Beispiel für viele Entwicklungen, man fängt zwar an, jetzt auch auf die CO2-Emission zu schauen und auf Kostenreduktion, aber erfolgreich sind solche Innovationen immer, wenn sie eben noch zusätzliche Vorteile bieten, die den Kunden wichtig sind.
Klaus Reichert: Das finde ich wirklich eine tolle Erkenntnis, die vor allem auch dafür sorgt, dass man das Thema angeht, auch wenn man vielleicht gar nicht mal so sehr dahintersteckt oder dahintersteht, sondern weil man einfach einen anderen Grund hat, warum man es tut, der Effekt aber am Ende derselbe ist.
Rainer Grießhammer: Ja, manchmal wird man zum Glück gezwungen.
Klaus Reichert: Okay, gut, verstanden! Gibt es etwas, was wir jetzt nicht angesprochen haben, was wir aber ansprechen sollten? Ich weiß, das Thema Klimaneutralität für Unternehmen zu erreichen, ist ein sehr großes Thema, da bohren wir ein sehr dickes Brett. Gibt’s etwas ganz Zentrales, was wir vergessen haben anzusprechen?
Rainer Grießhammer: Ich glaube, wir waren sehr rund. Von daher würde ich jetzt aus meiner Sicht sagen: Nein. Ich würde es vielleicht allenfalls noch zusammenfassen, dass ich sage, alle Maßnahmen in Richtung Klimaneutralität sind einfach geeignet, auch Innovationen aufzufinden, besonders dann, wenn man auch frühzeitig sogenannte Schattenpreise im Unternehmen festlegt, wo man die Bilanz noch mal mit höheren CO2-Preisen durchrechnet. Wenn man sich Ziele setzt, dann sollten die wirklich nur Ziele sein, die man auch klar mit Maßnahmen hinterlegen kann und die auch fair und klar kommuniziert werden. Es gibt zwei Punkte, wo man besonders aufpassen sollte, nämlich die Art und Weise, wie und welche erneuerbaren Energien man einbezieht und wie man das bilanziert, weil das zum Teil umstritten ist und auch kommunikativ umstritten sein kann. Und genauso mit Kompensationen, dass man dort vor allem auf gute Kompensationen, gute Zertifikate Wert legt. Und das ist auch kommunikativ ganz wichtig, weil man damit wirklich in Teufelsküche kommen kann, wenn man sehr fragwürdige Zertifikate kauft.
Klaus Reichert: Verstanden! Das heißt also, eine sinnvolle erste Maßnahme, wenn ich an den Anfang zurückgehe, ist, Transparenz im Unternehmen zu schaffen auf der einen Seite, was natürlich Ziele angeht, auf der anderen Seite aber auch, was tatsächlich ganz handfeste Daten, Verbrauchsmengen und so weiter eben angeht, um zu wissen, wohin die Reise gehen kann, um rechnen zu können, um auch mit diesen Schattenpreisen, die du gerade angesprochen hast, tatsächlich erst rechnen zu können. Weil solange ich es nicht genau weiß, ist sozusagen auch die Aussage, die ich aus Berechnungen mit schlechten Zahlen ziehe, eben eigentlich nicht wirklich aussagekräftig?
Rainer Grießhammer: Genau! Da ist, wie gesagt, beim gut geführten Unternehmen sollten eigentlich die Daten in der Regel vorhanden sein. Es gibt so eine Erfahrung aus früheren Ökobilanzen, dass man immer wieder auf Datenlücken stößt, wo schon nur die Durchführung von so einer CO2-Bilanz eigentlich hilfreich ist, um die Informationslage und Entscheidungslage deutlich zu verbessern. Mir ist es gerade wieder bei einem Unternehmen passiert, und da habe ich gefragt, wie hoch der Stromverbrauch ist? Und dann habe ich innerhalb von einer Woche drei komplett unterschiedliche Informationen bekommen, dann im Nachhinein bei der nächsten Recherche gezeigt haben, dass alle drei auch noch falsch waren. Wo ich gesagt habe: Das kann doch gar nicht sein, ihr seid im Prinzip sehr gut, damit könnt ihr draußen bei den Kunden werben damit, aber dann müsst ihr doch ganz klare Daten vorweisen können, ganz klare Messungen vorweisen können. Und wie gesagt, das passiert immer mal wieder. Es gab auch schon Vorfälle, wo Leute dann sagten: Wir haben eine ganz tolle PV-Anlage. Und dann wurde gefragt: Wieviel hat die jetzt eigentlich produziert? Und dann kam raus, dass irgendwas falsch angeschlossen war und die Anlage hat gar nicht produziert. Also sowas kann es auch mal geben. Aber wie gesagt, bei einem gut geführten Unternehmen darf das eigentlich nicht sein. Es ist dann eher oft noch das Problem, manche von den Daten haben dann die Ingenieure im Unternehmen oder die Außendienstmitarbeiter und die sind im Prinzip nicht zentral verfügbar für die Bilanzierung, aber sie sind trotzdem vorhanden. Und das ist auch so ein Vorteil von einer CO2-Bilanz, dass man die Daten dann einfach auch zentral verfügbar hat und mit denen auch ganz anders umgehen kann. Und dass man auch frühzeitig tatsächlich weiß, wie die (unv. #01:04:37.1#)-Ströme bei Ressourcen aussehen. Im Prinzip haben viele Unternehmen da einfach einen Posten in der Bilanz, der heißt so Materialeinkauf, und wenn man aber mal genau weiß, hey, aber da sind soundso viel Tonnen Aluminium, soundso viel Tonnen Stahl und die CO2-Bepreisungen werden dort so und so durchschlagen, dann kann man sich eben beispielsweise mit Schattenpreisen ausrechnen, wie bei gleichen Marktbedingungen die Position Materialeinkauf in wenigen Jahren dramatisch anders aussehen wird. Das sind einfach noch zusätzliche Vorteile von einer CO2-Bilanz jenseits des Bestrebens klimaneutral zu werden.
Klaus Reichert: Also ganz handfeste Vorteile.
Rainer Grießhammer: Genau! Große Visionen erfordern ja handfeste Umsetzungen.
Klaus Reichert: Sonst wirds nichts. Danke, danke! Rainer, wir haben noch zwei Fragen, auf die ich jetzt gerne eingehen würde, bevor wir dann den Abschluss machen, mit dem vom Zuhören ins Mitmachen kommen. Und zwar hat die Barbara Schmuker gefragt: Muss denn nur CO2 ausgeglichen werden zum Beispiel bei den CO2-Zertifikaten oder wie sieht es zum Beispiel mit Methan aus?
Rainer Grießhammer: Das ist eine gute Frage, weil man da in der Sprache nachlässig ist. Es geht eigentlich immer um eine Treibhausbilanz und um die Reduktion von Treibhausgas-Emissionen, also auch Reduktion von Methan. Ich hatte das da an dem Beispiel Biomasse-Kraftwerke und Bioabfälle gesagt oder wenn man jetzt Veggie Burger nimmt, da werden ja hauptsächlich Methan-Emissionen auch aus der Rinderhaltung reduziert. Ja, es geht immer um Treibhausgas-Emissionen und nicht nur um CO2. Das ist allerdings so, dass fast immer CO2-Bilanz gesagt wird und CO2-Emissionen, auch wenn die Experten hinten immer Treibhausgase rechnen und auch immer CO2-Äquivalente. Aber das steht dann bei jeder guten Studie vorne drin: Nachfolgend werden immer Treibhausgas-Emissionen bilanziert und CO2-Äquivalente ausgewiesen. Aber sozusagen von der Alltagssprache her sagt man CO2-Emissionen. Es gibt so ein paar wenige Unterschiede, die das Leben dann mal wieder komplizierter machen. Zum Beispiel, wenn man die Grenzwerte anschaut von Autos, da müssen jetzt ja die CO2-Emissionen pro Kilometer ausgewiesen werden, und das sind tatsächlich nur CO2-Emissionen. Also auch, wenn da noch ein bisschen bei den Verbrennern Methan freigesetzt wird, das sind wirklich nur CO2-Emissionen. Aber in der Regel: Ja.
Klaus Reichert: Danke! Ralf Schiel hat gefragt: Gibt es eine Empfehlung für eine Art seriösen CO2-Quick-Check für KMUs? Gerne auch mit Unschärfen, um zu sehen, wo man grob steht, bevor man das große Fass aufmacht.
Rainer Grießhammer: Auf jeden Fall! Das kann man eigentlich fast schon mit einer Handrechnung machen. Wenn man jetzt irgendeine Art von Unternehmen anschaut, dann wird man sehen, die verbrauchen Strom, die verbrauchen Heizöl oder Gas, die kaufen irgendwelche Massenmaterialien ein wie Stahl oder bestimmte Grundstoffe, und wenn man nur diese Mengen sich anschaut und diese Zahlen, kriegt man in der Regel in ein, zwei Tagen, und Modulwerte nimmt, dann kann man schon mal eine schnelle Hochrechnung machen. Ich habe das jetzt gerade bei einem Unternehmen gemacht, wo ich gesagt habe: Gebt mir doch mal diese Zahlen. Das habe ich innerhalb von wenigen Stunden gekriegt. Und habe gesagt: Ja, wir machen dann wie vereinbart die CO2-Bilanz, aber die wird in der Größenordnung von 80.000 Tonnen liegen. Es ist dann am Schluss nach ordentlicher Bilanziererei – und das muss man machen, um es nach außen nachweisen zu können – ist dann irgendwas mit 73.000 oder 74.000 rausgekommen. Aber im Prinzip kann man sagen, hätte das Unternehmen eigentlich schon mit diesen großen, groben Zahlen einige Maßnahmen veranlassen können. Das heißt, man braucht nicht immer eine super-detaillierte Bilanz machen. Wenn man nur unternehmensintern entscheiden will, dann kann man sich die fünf, sechs großen Aktivitäten anschauen, weil man im Prinzip weiß, die werden 90, 95 % von unseren CO2-Emissionen ausmachen. Wenn man das nach außen kommunizieren will und sagen, wir wollen klimaneutral oder wir kompensieren dies oder jenes, dann muss man es eben genauer machen. Da das ja wie gesagt sich im Zweifel auch kostenmäßig auswirkt, weil wenn man 1000 Tonnen zum Beispiel kompensiert mit 40 Euro pro Tonne – und ja, dann sind das 40.000 Euro – und dann ist es schon wichtig, ob man über 80.000 Tonnen redet oder über 79.000 oder 73.000. Also da muss man dann schon hinschauen, wenn es tatsächlich in Richtung von den ganz konkreten Maßnahmen geht.
Klaus Reichert: Mhm (bejahend). Okay, gut, verstanden!
Ich würde gerne zum Abschluss langsam kommen, und zwar geht’s ja auch darum, hier im Smart Innovation Podcast vom Zuhören zum Mitmachen zu kommen. Und da hast du großzügigerweise angeboten drei Bücher den Schnellst-Interessierten zur Verfügung zu stellen, zu schenken. Und zwar handelt es sich um „klimaretten“. Wer gleich da nachschauen möchte, unter klimaretten.org, aber wir verlinken das auch noch auf der Episoden-Webseite. Da gibt’s das Buch, gibt’s die Videos dazu, gibt’s weitere Informationen und Aktionen. Und dafür sind wir dir sehr dankbar, dass du das tust. Wir werden den Link auf der Webseite dann auch posten, sodass man sich da melden kann. Das ist ja eines von den vielen Büchern, die du geschrieben hast, und das ist jetzt relativ neu auch. Meines Wissens nach ist es auch das erste, wo es jetzt Videos dazu gibt, die sich allerdings in dem Fall auch an Privatpersonen wenden. Ich zeig mal noch eines dieser älteren Bücher, ich weiß nicht, ob man es richtig sehen kann, weil es ja auch verpixelt wird.
Rainer Grießhammer: Man sieht was. Ja.
Klaus Reichert: Es gibt dann auch noch zum Beispiel den „Öko-Knigge“. Das ist so ein bisschen der Urvater vielleicht von dem Thema. „Chemie im Haushalt“ habe ich noch gefunden. Du bist da jetzt schon ziemlich lange dran, du hast da ziemlich viel Erfahrung gesammelt, was da an Themen auch ankommt bei Privatpersonen. Jetzt machst du ja die Videos dazu auch für Privatpersonen mit einfachen Beispielen. Da gibt’s auch dieses Beispiel mit dem Fahrradvergleich, Fahrrad-, Fußgänger- und Auto-Vergleich mit dabei. Habt ihr sowas vielleicht auch geplant, das für Unternehmen zu machen, solche Kurzvideos?
Rainer Grießhammer: Nein. Muss ich klar sagen, haben wir nicht geplant.
Klaus Reichert: Der Aufwand ist ja riesig für sowas.
Rainer Grießhammer: Der Grund ist einfach, dass der Aufwand einfach riesig ist. Bei den Videos war es so, dass wir tatsächlich da eine Finanzierung von der Freiburger Bürgerstiftung bekommen haben und auch einen Teil von der EWS. Ich habe auch einen Teil finanziert. Das hat schon über 1000 Euro pro Video gekostet. Und das war aber noch einfach total kostengünstig, weil das da irgendwie junge, engagierte Leute auch gemacht haben, Fridays for Future, die gesagt haben, wir machen das umsonst sozusagen. Wenn man das jetzt im professionelleren Bereich, im Unternehmensbereich machen würde, dann kommt man einfach in ganz andere Dimensionen rein. Und ich glaube, gleichzeitig wäre es einfach auch wichtig natürlich, das noch stärker sektorspezifisch zu machen. Das wird es auch noch mal erschweren. Also so Allgemeinvideos, die jetzt für alle Unternehmen gleichzeitig gelten, ja, könnte man vielleicht auch ein paar wenige drehen. Müssen wir vielleicht im Nachgang nochmal reden.
Klaus Reichert: Rainer, vielen Dank dafür, dass du dir die Zeit genommen hast! Ich nehme sehr viel mit aus unserem Gespräch heute. Ich habe hier spannende Kommentare und auch Dankesschreiben im Chat schon gesehen. Das war sehr wertvoll für eine Gruppe von Menschen, die sehr viel bewegen kann. Eben weil sie Unternehmer, Unternehmerinnen sind, weil sie das Wort Klima oder Innovation in ihrem Jobtitel haben, hilft es ihnen tatsächlich, etwas zu beginnen, glaube ich, hilft es ihnen zu beginnen, was im Grunde noch relativ neu ist, aber schon sich weit verbreitet hat. Und dieses Thema Klimaneutralität im Unternehmen ist natürlich etwas, was uns lange beschäftigen wird. Das ist nicht einfach heute angefangen und morgen gemacht, das ist ein Dauerlauf. Vielen Dank, Rainer! Vielen Dank, dass du dir Zeit genommen hast! Vielen Dank aber auch an alle Teilnehmenden für die Fragen, für die Zeit! Und ich bin schon sehr gespannt, was wir an Rückmeldungen zu den damit auch begonnenen Projekten dann in der Zukunft bekommen werden.
Rainer Grießhammer: Dir auch vielen Dank! War jetzt einfach eine schöne Gelegenheit, ist auch ein sehr schönes Format. Danke auch den Zuhörern für die Fragen und Mitzuhören. Und ich hoffe eben auch, dass sie dann in ein, zwei Jahren mir dann noch mal ein kurzes Mail schreiben und sagen, danke, dass Sie damals, ich habe das jetzt tatsächlich umgesetzt. Wäre schön.
Klaus Reichert: Vielen Dank auch für die Zeit, die Sie sich genommen haben heute. Es hat etwas länger gedauert, aber ich glaube, es war wert und es hilft einem Unternehmer, einer Unternehmerin, erste Schritte in Richtung Klimaneutralität in Ihrem Unternehmen zu machen.
Das war der Smart Innovation Podcast. Er wurde mit einem interessierten Publikum live aufgenommen. Vielen Dank fürs Dabeisein und Zuhören! Diese Episode gibt es auch zum Lesen. Der direkte Link ist in den Shownotes. Noch kein Abonnent? Die Show ist überall zu finden, wo es Podcasts gibt. Weitere Informationen zum Podcast und meine Kontaktdaten sind bei klausreichert.de/podcast. Dort gibt es auch eine Übersicht der nächsten Liveaufnahme-Termine. Ich bin Klaus Reichert und das war der Smart Innovation Podcast.
Große Visionen erfordern ja handfeste Umsetzungen.
Rainer Grießhammer
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