Das iPhone wird 2019 einen USB-C Stecker erhalten, dazu braucht es keine Glaskugel. Warum ist das wichtig? Standards! Es geht darum, dass entweder nur einer oder idealerweise alle Marktteilnehmer die Kontrolle über eine Technologie haben. Und so im Hardware-Bereich eine Chance für ökologische und finanzielle Nachhaltigkeit entsteht.
„Ein Standard ist ein öffentlich zugängliches technisches Dokument, das unter Beteiligung aller interessierter Parteien entwickelt wird und deren Zustimmung findet. Der Standard beruht auf Ergebnissen aus Wissenschaft und Technik und zielt darauf ab, das Gemeinwohl zu fördern.“
Wikipedia
iPad bereits mit USB-C
Das neue iPad (2018) ist das „beste iPad bisher“ 🙂 (man muss sich der unwiderlegbaren und etwas naiven Aussage des Herstellers anschliessen). Allerdings aus einem anderen Grund. Es geht mir hier nicht um den schlanken Rand oder die neuen Features. Es geht mir um den Stecker. Das neue iPad hat einen („kleinen“) USB-C Stecker. Wie an meinem Laptop. Und an eigentlich allen anderen neueren Smartphones und kleinen Laptops. Der USB-Standard Stecker ersetzt das proprietäre Format von Apple, den Lightning Stecker. Seit 2012 ist dieser im Einsatz bei iPhones und iPads und bei einer Menge Zubehör wie Ladestationen, Lautsprechern, Kopfhörern. Mit der damaligen Einführung des Lightning Steckers gab es natürlich auch die Ablösung des vorherigen, relativ sperrigen, Steckers, welcher wiederum in vielem Zubehör verwendet wurde. Zur Beruhigung hatte Apple damals seinen Partnern, den Zubehörlieferanten, zugesagt, dass sie Lightning mindestens sieben Jahre unterstützen werden. Und diese sieben Jahre sind jetzt um.
Geschäftsmodell Lightning
Aus der Geschäftsmodellsicht ist der Lightning Stecker gut gemacht: Hersteller, die Zubehör mit diesem Stecker anbieten wollen, müssen von Apple zertifiziert sein. Und zahlen dafür Lizenzgebühren. Die Echtheit wird durch einen kleinen Chip im Stecker erkannt, falsche Stecker werden vom Gerät ignoriert und sind damit weitgehend unbrauchbar. Das Anbieten von Apple Zubehör ist nur möglich, wenn man entsprechende Qualitätskriterien erfüllt. Mit der vollständigen Kontrolle über die Möglichkeiten der Technik wird, neben den Einnahmen für Apple, ein besseres Nutzererlebnis sichergestellt. Zudem war Apple zum Zeitpunkt der Lightning Einführung technisch seiner Zeit voraus. Win-Win. Nur leider etwas einsam.
Lightning als einsamer Apple Standard
Für die „Apple Mobilwelt“ ist damit ein Standard gesetzt, nicht aber für den Rest der Welt. Und auch nicht für die anderen Apple Geräte. Die Firma hat die Hoheit über die Möglichkeiten der Technologie und kann sie nach eigenem Fahrplan weiterentwickeln. Doch diese Welt ist relativ klein und abgekoppelt von den anderen Geräten in der Welt. Und auch abgekoppelt von den eigenen Laptops. Denn Zubehörteile wie Kopfhörer vom iPhone sind am Mac nicht nutzbar. Unpraktisch und auch ökologisch zweifelhaft. Ein Zustand, den wir in einer Übergangszeit erstmal wieder erleben werden.
Vom Mehrwert der Standards
„Ein Standard ist eine vergleichsweise einheitliche oder vereinheitlichte, weithin anerkannte und meist angewandte (oder zumindest angestrebte) Art und Weise, etwas herzustellen oder durchzuführen, die sich gegenüber anderen Arten und Weisen durchgesetzt hat. In dieser Bedeutung ist der Begriff Standard insbesondere in den Bereichen Technik und Methodik üblich, in Bezug auf Menschenrechte, Lebensstandard oder Umweltschutz. Dabei findet der Begriff sowohl Verwendung zu allgemein anerkannter Zielsetzungen als auch bezüglich allgemein anerkannter Realisierungen.“
Wikipedia
Was sind einige Nachteile von Standards?
Auch Standards verändern sich. Doch das kann dauern. Es braucht einige Zeit, bis sich „die Welt“ verständigt hat. Ein einzelnes Unternehmen kann mit seinem eigenen Standard viel schneller agieren und neue Entwicklungen treiben. In der Welt der Standards erleben wir eher Evolution statt Disruption. Beispiel USB: der neue kleine, leistungsfähige und einfacher zu nutzende Typ C Stecker hat Jahre für die Entwicklung gebraucht. Der „klassische“ Typ A ist dafür mittlerweile sogar in Autos standardmäßig eingebaut und teilweise schon in Haussteckdosen integriert. Der Wikipedia Eintrag zu USB liest sich teilweise spannend wie ein Wirtschaftskrimi.
Proprietäre Standards – ein lukratives Geschäftsmodell mit hohen Investitionen
Auch ein Standard ist meist proprietär, zumindest am Anfang. Die Entstehung von Standards hat etwas von dem „Survival of the fittest“ der Evolution. Denn ein Standard entsteht keineswegs aus dem Nichts. Er wird meist von einem Unternehmen getrieben, welches ein Konsortium um sich herum aufbaut. Wer dies erfolgreich macht, verdrängt die anderen Technologien in diesem Bereich und kann seine eigene Technologie durch Lizenzen für andere öffnen und substantielle Einnahmen generieren. Ein spannendes Geschäftsmodell. Allerdings sind gerade die Investitionen hoch, ebenso wie das Risiko des Scheiterns. Beispiele? Das Videoformat VHS verdrängte Betamax. Die Funkstandards LTE und WiMAX. Die Ladestecker für Elektromobilität. Standards können auch nationale Interessen widerspiegeln. Das wurde mir deutlich in meiner sehr kurzen Zeit mit dem DIN-Ausschuss Innovationsmanagement.
Was sind einige Mehrwerte eines Standards?
Die universelle Austauschbarkeit. Teile passen zusammen, weltweit. Eine M4-Mutter passt auf eine M4-Schraube.Eine Plattform als Ausgangspunkt für Innovationen: wenn der Stecker und die Ladetechnik schon da ist, brauche ich mir als Innovator keine Gedanken um diese Dinge zu machen und kann mich voll auf das neue Gerät oder Zubehör fokussieren.Nachhaltiger und praktischer: z.B. nur ein Ladegerät für alle Geräte. Ein Samsung Ladegerät kann mit einem Apple Gerät genutzt werden. Ganz praktisch dürfte es für viele Computer und Smartphone Nutzer besser werden: nur noch ein Verbindungs- und Ladekabel für alle Geräte. Zumindest im Computerbereich werden damit viele andere Kabel und Stecker abgelöst und eine weitgehende Wirkung in andere(?) Bereiche wie Fernseher erzielt und z.B. die HDMI-Kabel ersetzt. TV und Computer verschwimmen immer, vielleicht reicht das ja aus als Antrieb für den Wandel.
Open Source- oder Creative Commons-artige Lizenzierung von Standards
Meine Hoffnung ist, dass der neue USB Stecker als dann quasi Standard etwas Ruhe in die Vielfalt bringt, was auch ökologisch sinnvoll wäre. Denn gerade in dieser Übergangszeit werden viele Zubehörteile nach und nach ersetzt, fortschrittsgetriebener Elektroschrott entsteht.
Nehmen wir aber dieses eingangs genannte Ziel der Gemeinwohlförderung von Standards beim Wort, dann stellt sich die Frage, wie Standards anders entstehen und verbreitet werden können. Gerade am Anfang einer neuen Technologie braucht es Mutige, die Zeit, Energie und Geld investieren. Und ein solches Engagement muss auch belohnt werden. Etwas naiv angegangen, wäre ein Modell nach Open Source- oder Creative Commons geeignet, allerdings erweitert um Kompensation für alle Beteiligten, die den Standards entwickeln und weiterentwickeln. Firmen, die den Standard, wie z.B. einen Lade- und Datenstecker, integrieren, erhalten prozentual an ihrer Leistung ebenfalls Einnahmen aus den Lizenzzahlungen als Anreiz für die Implementierung. Das ist sicher als Vorschlag noch zu wenig durchdacht. Doch es könnte ein Weg sein, technologischen Fortschritt im Hardware Bereich ökologisch nachhaltiger zu gestalten.