Klaus Reichert im Smart Innovation Podcast Gespräch mit Michael Scheyer: über seine Erfahrungen mit seinem ersten Kinofilm, seinem kreativen Prozess und vielen Tipps für Kreative, selbst „Ihr“ Projekt einfach zu machen.
„Wie ich auf einen Berg stieg und mit einem Spielfilm wieder kam.“
Einfach mal machen, einfach anfangen. In dieser 81. Episode des Smart Innovation Podcast spricht Creator und Regisseur Michael Scheyer über seinen Kreativ Prozess auf dem Weg zum Film „Kilimandscharo – diesmal mit Krücken“. In seinem ersten abendfüllenden Spielfilm porträtiert er den Bergsteiger Thomas Lämmle auf seinem Weg, wieder (zum 63. mal!) auf den Kilimandscharo zu steigen, obwohl er nach einem Gleitschirmunfall zuerst im Rollstuhl saß und dann durch hartes Training an Krücken wieder gehen konnte.
Wir unterhalten uns über den Wandel, den das Kreativ Projekt in Michael Scheyer ausgelöst hat. Und wir sprechen über seine Vorgehensweise, wie er mit einfachen Mitteln es tatsächlich geschafft hat eine 90-minütige Geschichte zu erzählen. Die genannten Tipps sollen anderen Creators helfen, ihre eigenen Herzblut Geschichten auf den Weg zu bringen.
Die Episode ist auch für Innovationsmanager und Unternehmerinnen als Beispiel dafür geeignet, Innovation im Unternehmen auch mit geringen Mitteln auf den Weg zu bringen.
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Podcast Transkript
Das Transkript wurde manuell erstellt.
Michael Scheyer: Das sind einfach Menschen, die das, was sie erlebt haben, einfach auch gut, leidenschaftlich und ehrlich erzählen konnten. Und das ist, glaube ich, das viel Entscheidendere heutzutage als alle Professionen, die man sich aneignen kann oder nicht, man muss es einfach nur von Herzen und leidenschaftlich und echt machen. Und dann kann man auch auf Experten zurückgreifen, wenn man nicht weiterkommt oder man macht einfach so weit, wie die eigenen Fertigkeiten es eben zulassen.
Klaus Reichert: Großes kann entstehen, wenn man Schritt für Schritt drauf zugeht.
Klaus Reichert: Innovation weiterdenken und Zukunft einfach machen. Hallo! Klaus Reichert hier! Ich bin unabhängiger Unternehmensberater und Business Coach für Innovation und Business Design. Ich begleite engagierte UnternehmerInnen und Führungskräfte sowie ihre Teams mit Smart Innovation auf dem Weg von der Vision zu enkeltauglichen Leistungen. Meine Mission ist es, Unternehmen und seine Menschen kreativer und innovativer zu machen. Ich arbeite remote von Baden-Württemberg aus. Im Smart Innovation Podcast spreche ich mit engagierten und kreativen Menschen über Innovationen, über Innovationsmanagement, Unternehmertum und Verantwortung, gerade im Kontext des Klimawandels. Zuhörer können bei den Liveaufnahmen mitmachen und Fragen stellen, so wird Innovation lebendig und leicht umsetzbar. Die Live-Aufnahmen sind mittwochs, Episoden erscheinen montags. Den Link zu Terminen, Newsletter und dem Transkript finden Sie in den Shownotes. Bleiben Sie auf dem Laufenden und folgen Sie der Show, wo immer Sie Ihre Podcasts hören oder auf klausreichert.de/linkedin. Und denken Sie daran, es gibt kein Ende von Innovation, nur Starts.
Mein Gesprächspartner ist Michael Scheyer, er ist Kommunikator, Journalist und Filmemacher am Bodensee. Mit seinem Film „Kilimandscharo – diesmal mit Krücken“ porträtiert er den Bergsteiger Thomas Lämmle auf seinem Weg, wieder auf den Kilimandscharo zu steigen, obwohl dieser nach einem Gleitschirmunfall zuerst im Rollstuhl saß und dann durch hartes Training an Krücken wieder gehen konnte. Diese Erfahrung des Filmemachens, eng verbunden mit der Erfahrung des Bergsteigens, hat auch bei Michael Scheyer Spuren hinterlassen. Wir unterhalten uns einerseits über die Arbeit als Creator des Films, aber vor allem auch, was ein kreatives Projekt mit den Machern selbst macht. Willkommen Michael, schön und danke, dass du heute mit dabei bist.
Michael Scheyer: Hallo zusammen! Ja, ich freue mich sehr, hier dabei zu sein, danke für die Einladung.
Klaus Reichert: Michael, du hast einen Film gemacht, der seit Monaten in vielen Programmkinos läuft. Was ist das für ein Film, wovon handelt er?
Michael Scheyer: Der Film, der Titel verrät es ja, „Kilimandscharo – diesmal mit Krücken“, es geht um den Kilimandscharo, es geht um jemanden, der da auch hochsteigt mit Krücken, aber das kleine Wort diesmal verrät, dass es vorher auch schon Aufstiege auf den Kilimandscharo gegeben hat. Der Bergsteiger, der Thomas Lämmle aus Waldburg, der war zuvor 62 Mal bereits auf dem Kilimandscharo und das war früher sein Trainingsberg. Wenn der losgezogen ist, um auf einen Achttausender zu steigen, also Mount Everest und so weiter, dann ist er vorher nach Tansania und ist da eine Woche lang jede Nacht auf dem Kilimandscharo gestiegen. Also, das war für den, so wie für uns das Fitnessstudio, einfach der Berg, mit dem man trainiert, sich an die Höhe anpasst. Vielleicht noch kurz einen Einwurf, der Thomas Lämmle, der gehört wirklich in die ganz große Liga der Bergsteiger, aber er ist unbekannt, weil er das selbst nie wollte, er wollte selbst nie bekannt sein. Aber von den vier Deutschen, die jemals den Mount Everest ohne zusätzlichen Sauerstoff bestiegen haben, ist er eben einer davon. Also das ist schon wirklich einer der ganz Großen und von den 14 Achttausender, die es da draußen gibt, hat er sieben bestiegen, alle immer ohne zusätzlichen Sauerstoff. Weil, er hat immer gesagt, ich will immer nur so weit kommen, wie ich es mit meiner eigenen, mit meinem Körper, mit meiner biologischen Verfassung schaffe. Naja und der ist halt recht weit gekommen. Und jetzt war es so, dass er eben einen sehr, sehr, sehr, sehr lebensgefährlichen Unfall hatte 2020, kurz nach dem ersten Corona-Lockdown und dann hat er es wirklich geschafft, sich zu berappeln und ist eben wieder aufgestiegen, diesmal aber mit Krücken, diesmal, ja! Und wie diese Geschichte, die Geschichte seines 63. Aufstiegs war, das habe ich eben dokumentarisch festgehalten. Aber, da kommen wir gleich ja noch drauf zu sprechen, das war eigentlich gar nicht meine Idee am Anfang und deswegen gibt es noch zwei weitere Geschichten in dem Film. Die eine weitere Geschichte ist die Geschichte der sechs Schwaben, die da auch aufsteigen. Das sind aber alles Erstaufsteiger gewesen, dazu gehöre ich auch, ich war vorher auch nie auf dem Kilimandscharo gewesen. Und wie wir sechs uns da angestellt haben, das war der Peter, der Hubert, der Hansi, der Jens, die Julia und ich, sechs, also die sechs Schwaben, wie die sich angestellt haben beim ersten Aufstieg auf den Kilimandscharo, das ist auch ein Teil des Films und der ist sehr lustig, kann ich zumindest mal versprechen, ja. Also es ist ja nicht so ein ganz einfaches Unterfangen und jeder, der das zum ersten Mal macht, ist mit bestimmten Herausforderungen konfrontiert und wie wir die allesamt bewältigt haben, das erzählt der Film. Und der dritte Teil, und dann komme ich auch schon zum Ende mit der Beschreibung des Films, das ist tatsächlich die Erläuterung, wie das Höhenbergsteigen funktioniert, also das ist eine sehr informative Ebene. Weil, der Thomas selbst ist nicht nur ein super Bergsteiger, sondern das ist auch ein Höhenforscher. An der Uni Innsbruck hat er geforscht und er hat untersucht, wie man in der sehr hohen Höhe mit sehr wenig Sauerstoffgehalt in der Luft leistungsfähig sein kann. Und was da alles so passiert im Körper, wie man sich akklimatisiert, was das Höhen-Lungenödem ist, wie das kommt und wie seine Atemtechnik ist, das hat er uns eben alles erklärt und das ist auch in dem Film enthalten. Und wenn man den Film gesehen hat, dann hat man alles, was man wissen muss, um den Kilimandscharo zu besteigen. Also es ist eine sehr lange Erklärung jetzt gewesen, aber das sind tatsächlich drei Geschichten. Und ich erlebe es immer wieder, der Film ist ja jetzt seit Oktober letzten Jahres eben in den Kinos, also seid, ja, bald ist es dann mal ein Jahr und das, was ich aus den Publikumsgesprächen bestätigt bekomme sozusagen. Ja, meinen eigenen Film finde ich selbst toll, ist ja klar, das würde mir ja auch jeder glauben. Aber das, was ich aus den Publikumsgesprächen, ich bin ja fast immer mit dabei, wenn der irgendwo zum ersten Mal gezeigt wird, was ich da eben als Rückmeldung bekomme, ist eben, er ist sehr humorvoll, er ist sehr informativ und am Ende hat man immer einen Kloß im Hals. Und das kann ich auch jedem versprechen jetzt, der hier zuhört, wer den Film sieht, dem wird es auch so ergehen und das sage ich nur deswegen mit dem Selbstvertrauen oder mit dem Feedback, das ich von dem Publikum bekommen habe.
Klaus Reichert: Kann ich gut verstehen. Ich habe den Film noch nicht gesehen, aber den Trailer angeschaut und alles, was du jetzt gerade angesprochen hast, finde ich, ist da wiedergespiegelt oder man hat zumindest ein Verständnis dafür, was dann danach kommt. Also auf Basis dieser Erfahrung würde ich das unterschreiben. Jetzt sagst du, du bist da ja auch mit dabei, bei diesen Vorführungen, du kriegst jetzt Feedback tatsächlich von Menschen, die sich den Film anschauen. Wie wichtig ist dir das, das du jetzt ganz konkret mit jemandem dann gleich auch drüber sprechen kannst?
Michael Scheyer: Das ist mir tatsächlich sehr, sehr wichtig. Einerseits weil das viele Feedback, das ich bekomme, das kann ich ja verwenden, um auch selber dran zu lernen und zu reifen und für ein nächstes Projekt andere Sachen zu machen oder es anders zu machen oder es vielleicht, ich würde gar nicht sagen, besser zu machen, sondern einfach anders zu machen. Also das ist schon das eine, was ich da mitnehme. Aber zum anderen war es mir auch sehr wichtig, um mich mit meinem eigenen Film zu beschäftigen, Ich habe tatsächlich zwei unterschiedliche Perspektiven auf den Film oder hatte früher eine, jetzt habe ich eine neue, so muss man es sagen, ne. Also ich habe den Film gemacht und da hatte ich ja auch eine Intention und da war ich ja auch mitten in diesem Produktionsprozess und da hat man auch ein Ziel und irgendwann ist dieses Produkt zu Ende. Und dann, seit dieser Film raus ist und ich mit vielen Menschen darüber spreche, was sie dabei empfinden, was sie sehen, was sie hören, was sie mitnehmen danach, was ihnen wichtig ist danach, habe ich eine ganz neue Perspektive nochmal drauf entwickelt, also was dieser Film eigentlich ist und was er mit den Menschen macht. Und das kriegt man natürlich nur raus, wenn man mit den Menschen spricht. Also es ist auch etwas anderes, ob man mit Menschen spricht oder ob man nur Zuschauerzahlen hat. Also der Erfolg wird ja immer daran gemessen, wie viele Menschen dann Eintrittskarten gekauft haben, das ist ja die große Währung für fast alles, was wir so kulturell machen. Aber wie viele Menschen es berührt und wie viele Menschen Nachhause gehen und vielleicht mit dem, was sie dort erlebt und gesehen und gehört haben, vielleicht in ihrem eigenen Leben etwas verändern oder mit anderen Menschen darüber sprechen oder vielleicht anderen auch ein bisschen Mut machen. Solche Dinge sind ja auch Erfolgsfaktoren, aber das kriegt man ja nicht mit, es sei denn, man spricht eben mit den Leuten, ja. Und deswegen war es für mich sehr wertvoll und ich habe tatsächlich eine andere Perspektive. Als Anekdote, Marcel Reich-Ranicki, der große Literaturkritiker, hat in seiner eigenen Biografie mal geschrieben, was er aus dem Gespräch mit dieser einen Autorin gelernt hat, dass die Autoren über ihre eigene Literatur genauso wenig verstehen wie die Vögel von der Ornithologie. Und ich glaube, da ist ein bisschen was dran, dass man sich mit seinem eigenen Werk irgendwie auch anders auseinandersetzt, wenn man andere Menschen darüber sprechen hört, ne. Also ich würde nicht sagen, dass ich keine Ahnung davon habe, aber es sind zwei Perspektiven, ich habe halt die Perspektive des Machers und die Perspektive des Zuschauers so ganz neu entdeckt.
Klaus Reichert: Ja, jetzt hast du gesagt, du hast zwei Perspektiven. Ich würde jetzt aber fast schon sagen nach alldem, was du mir bisher auch erzählt hast, du hast eigentlich drei Perspektiven. Du hattest irgendeine Perspektive, bevor du losgelegt hast mit dem Film, du hattest eine, die sozusagen entstanden ist durch das Machen, also ich sag mal, nach dem Film sozusagen dann sich geformt hatte und jetzt eben dann noch die dritte durch die Zuschauer. Auf dieses Vorher, Nachher würde ich auch gerne noch eingehen, denn das, glaube ich, ist ein wichtiger Teil, zuerst aber sollten wir nochmal verdeutlichen, wie du das gemacht hast. Also ein Kinofilm, ist jetzt in Hollywood so, man sieht es am Abspann, dass hunderte von Menschen mitarbeiten. Dauert ewig, ja, fünf Minuten Abspann, ein bisschen Musik noch dazu ab und zu irgendwie, also es dauert, es sind viele Menschen beteiligt. Ich würde jetzt mal sagen, in deiner Produktion waren es jetzt nicht hunderte von Menschen, mit denen du das Ganze organisiert hast. Wie bist du vorgegangen, was waren so deine vielleicht auch Ausrüstungsgegenstände oder wie bist du gestartet, in das Projekt rein?
Michael Scheyer: Ja, genau, das ist ganz richtig und du hast schon Recht, es gibt eine dritte Perspektive. Es ist aber praktisch eine Vorabperspektive, wenn man sie möchte, wo sich dieses Projekt erst geformt hat, aber man muss sie auch so benennen wahrscheinlich, ja. Also tatsächlich war es ja so, also ich hatte nicht geplant, diesen Film zu machen, so muss ich das sagen. Nicht, dass ich diesen Film nicht machen wollte, natürlich habe ich ihn machen wollen, aber ich hatte es nicht geplant. Es war so, der Thomas Lämmle und ich, wir kannten uns von Berichterstattungen, die ich für meinen früheren Arbeitgeber, die Schwäbische Zeitung gemacht hatte, da hatte ich ihn kennengelernt. Ich hatte darüber berichtet, wie er auf den Mount Everest gestiegen war, das war 2016 übrigens und zwei Jahre später, wie er den Makalu und den Lhotse bestiegen hatte. Immer dann, wenn ich mit ihm zu tun hatte, wollte er mich dazu überreden, mit auf den Kilimandscharo zu steigen, weil, er hat schon immer diese Gruppen dahin geführt. Und beim ersten Mal habe ich gedacht, boah, Kilimandscharo, schaffe ich das, das ist ja schon ein riesen Ding und so. Und dann hat er mich aber ein bisschen überredet und dann habe ich mir das irgendwie auch zugetraut, aber der Impuls war da noch nicht so wirklich da, habe gedacht, okay, irgendwann mal, ein Lebenstraum. Und dann, zwei Jahre später habe ich ihn wiedergetroffen und dann fragte er mich, und, hast du es dir überlegt, willst du mal auf den Kilimandscharo gehen? Und dann habe ich gesagt, du, ich fände das eine super coole Idee, aber ich habe das Geld dafür noch nicht. Und dann kam eben, also dann hat er mich in seine WhatsApp-Gruppe aufgenommen, also das war die Informationsgruppe, wo er dann alle Informationen immer über diese Kilimandscharo-Reisen gepostet hat an alle Interessenten. Und in dieser WhatsApp-Gruppe kam eben im April 2020 die Nachricht von ihm, dass durch die Corona-Pandemie der Tourismus in Tansania zusammengebrochen war und er für seine Leute, die dort arbeiten, eben jetzt Spenden sammelt, damit die was zu essen haben, damit die ihre Miete bezahlen könnten, damit die nicht irgendwie von der Armut bedroht sind. Und da war dann mein Entschluss da und habe gesagt, du, Thomas, wir machen das jetzt so, ich habe ein bisschen Geld gespart, ich möchte dir jetzt das Geld geben für deine Leute und wenn du das nächste Mal auf den Berg gehst, dann komme ich mit. Und dann hat er mir zurückgeschrieben, das ist eine voll coole Idee, vielen Dank dafür! Der Haken ist, ich liege im Krankenhaus und ich weiß nicht, ob ich je wieder gehen kann. Also so habe ich von seinem Unfall erfahren. Und dann haben wir kurz telefoniert und dann hat er mir das alles erklärt und das hat mich ganz schön geschockt natürlich. Und dann war natürlich, diese Reise war natürlich eingefroren, also ging ja nicht und dann hatte ich ein bisschen was gespendet, trotzdem. Und dann habe ich aber in dieser WhatsApp-Gruppe verfolgt, wie er sich aus dem Rollstuhl eben wieder hochtrainiert hat. Also wie er da im Bett lag und das eine Bein, was noch so halb ging, aktiv gehalten hat, wie er trainiert hat, Muskeln aufgebaut hat. Und dann eben so zwei, drei Monate später kam mir dann der Gedanke, ich frag ihn mal. Thomas, darf ich über deinen Unfall schreiben? Also ich finde es toll, wie du dich hier, obwohl dein linkes Bein gelähmt ist. Also er hat einen verletzten Ischias-Nerv im Becken gehabt, also die Verbindung zum Rückenmark war durchtrennt und er konnte vom Becken abwärts das linke Bein nicht mehr bewegen. Und dann hat er aber trotzdem sich einfach nicht hängen lassen. Und diese bemerkenswerte, diese Kraft und dieser Mut und dieser unbändige Wille, den wollte ich irgendwie mal aufschreiben und dann durfte ich das aufschreiben. Und in diesem Artikel, der ist dann Weihnachten 2020 erschienen in der Spendenaktion der Schwäbischen Zeitung und da sagte er, also, es war, ja, ungefähr ein Dreivierteljahr nach seinem Unfall, ich habe vor, im nächsten Jahr wieder auf den Kilimandscharo zu steigen und wenn das nur mit Krücken geht, dann ist das eben so. Und dann habe ich gesagt, Thomas, wenn du da mit Krücken hochgehst, dann gehe ich mit! Weil, dann kann ich es auch, also ich meine, so selbstbewusst bin ich dann auch, dass ich mir das dann auch zugetraut habe, und dann wollte ich ihn aber privat begleiten. Also ich wollte einfach nur den Thomas begleiten zunächst und dann natürlich in der Vorbereitungszeit. In den Monaten kam mir natürlich schon irgendwann der Gedanke, vielleicht sollte ich das auch irgendwie dokumentieren. Und dann habe ich meinen Fotoapparat, also ich habe einen kleinen, Systemkamera nennt man die, von der Marke Fujifilm mit Wechselobjektiven. Und die hatte ich mir mal zugelegt, als ich noch Fernsehjournalist war, wo ich noch für die Nachrichten Videos gedreht habe und Fotos gemacht habe. Und das ist ein kleines Ding, das ist vielleicht so eine kleinere Spiegelreflexkamera, könnte man sagen und dann habe ich mir noch ein Mikrofon drauf geschraubt, das ich schon immer hatte. Und das war meine ganze Ausrüstung, die ich dann mitgenommen habe, weil, ich musste leicht sein, ja. In dem Rucksack, den man am Tag mitgenommen hat, da durften maximal ein, zwei Kilo drin sein. Also das, was man so für Regenschutz gebraucht hat und das Vesper des Tages und halt noch so ein bisschen Zeug. Und dann musste ich wirklich leichtes Gepäck mitnehmen und deswegen habe ich nur die Kamera mitgenommen. Aber mein Ansatz da war eigentlich nur, ich filme das mal und mach ein paar Fotos und dann schreibe ich halt vielleicht noch mal einen Zeitungsartikel drüber oder vielleicht nimmt ja irgendein Fernsehsender mir das Material ab, das wäre ja ganz schön. Ich habe natürlich trotzdem viele Akkus mitgenommen und Speicherkarten, aber was ich zu dem Zeitpunkt noch nicht wusste, was ich dort alles erlebe auf dem Berg, ich kannte ja die Gruppe nicht, ja. Also natürlich, meine Frau war mit dabei, die kannte ich natürlich sehr gut. Mein bester Freund war mit dabei, den kannte ich auch gut, aber die anderen drei, Hansi, Peter und Hubert, die kannte ich nicht. Ich wusste ja nicht, wie die so drauf sind und ich wusste auch nicht, was für ein wirklich ganz hervorragender Lehrer der Thomas ist, ja und wie der so drauf ist. Und ich wusste ja auch nicht, ob er es überhaupt schafft, ja. Also das waren ja lauter so Sachen, wo man vielleicht nicht davon ausgeht, dass da nachher ein 108 Minuten langer abendfüllender Spielfilm rauskommt, aber, ich habe einfach mal losgelegt. Und dann kam ich zurück und dann habe ich es einen Monat liegen lassen, das Material. Und einen Monat später, nachdem ich zurück war, habe ich mir das alles mal angeschaut und der Reihe nach alle spannenden Interviews und so, mal hintereinander gehängt und das, was ich so alles da aufgezeichnet habe, mal so in eine Reihenfolge gebracht, so wie ich es mir vorstellen konnte und dann waren das zwei Stunden. Und das war der erste Moment, wo ich dann gedacht hab, oh, das kann als abendfüllender Film funktionieren, vielleicht sollte ich das mal probieren. Also es war eine ganz lange, sehr zufalls- oder, wie man das halt dann nennen möchte, schicksalshafte Zusammenstellung von Faktoren und dann kam halt am Ende so ein langer Film raus.
Klaus Reichert: Ganz der Medienschaffende, hast du dich vorbereitet, indem du genügend Akkus und Speicherkarten mitgenommen hast, okay.
Michael Scheyer: Ja, genau.
Klaus Reichert: Aber das, genau betrachtet, hast du es mit einer, in Anführungszeichen, einfachen Kamera mit ein paar Wechselobjektiven geschafft, einen abendfüllenden Spielfilm zu drehen.
Michael Scheyer: Ja, ganz genau, tatsächlich war es nur ein Objektiv. Ich hatte zwar ein zweites dabei, aber das habe ich nie gewechselt, weil, es kam nie zum Einsatz. Ich hatte nur, für die, die es technisch ganz genau wissen wollen, es war eine APS-C-Kamera, also ein kleiner Chip, nicht das Vollformat und es war ein 16- bis 55-Millimeter- Objektiv. Das ist bei normalen Full Frame Kameras ein 24 bis 70, also das sind ein bisschen technische Informationen zum Hintergrund. Das war also einfach nur eine Kamera, die 4K filmen konnte, also hochaufgelöst natürlich und ein Objektiv mit 16 bis 55 Millimeter Brennweite und damit habe ich einen ganzen Film gedreht, ja, genau. Da sind keine anderen Aufnahmen, keine GoPro, keine Drohne. Bis auf ein paar Handyaufnahmen, aber die sind allesamt schlecht, aber ich hatte halt dann irgendwann nichts anderes mehr. Ich konnte jeden Tag zwei Akkus aufbrauchen, das war meine Rechnung, für jeden Tag zwei Akkus, also 14 Akkus und wenn die aufgebraucht waren, musste ich mit dem Handy filmen und das hat mich ein bisschen im Stich gelassen leider. Aber ist nicht schlimm, die wichtigsten Teile konnte ich ja dann trotzdem damit aufzeichnen.
Klaus Reichert: Der technische Teil war, in Anführungszeichen, einfach und ist im Grunde fast von jedem auch so machbar?
Michael Scheyer: Ja, ich muss dazu sagen, ich unterrichte ja Mobile Reporting ein- oder zweimal im Jahr an der Deutschen Journalistenschule in München. Also ich bin der Dozent für Mobile Reporting und seit sechs, sieben, acht, neun Jahren, ich weiß gar nicht, wann ich damit angefangen habe, ich bin da so ein bisschen rein geschlittert, seitdem es halt so Mobilgeräte gibt, Handy und ein iPad und so, seitdem unterrichte ich, wie man mit kleinen Geräten große Sachen machen kann. Und in meinen Kursen sage ich immer, es ist nicht die Größe des Gerätes, es ist immer die Größe der Geschichte. Und jetzt, wo ich den Film habe, habe ich nicht nur ein cooles Zitat, sondern auch einen Beleg dafür.
Klaus Reichert: Einen Beweis.
Michael Scheyer: Einen Beweis, ja. Es ist ja so, das, was der Thomas da macht und das, was wir erleben, dass ist das, worum es geht. Und wenn man da jetzt nicht grad große Filmkunst heraus zaubern will, was ja Hollywood auch vorbehalten ist mit viel Geld und viel Produktionskraft und die machen das ja alles toll. Aber wenn es wirklich nur um die Geschichte geht, um das Echte und das Wahrhaftige und das, was da geschehen ist, dann braucht man auch nicht die großen Dinge, weil die Geschichte ist einfach an sich unglaublich faszinierend.
Klaus Reichert: Und dann ist auch okay, wenn es ein bisschen Mal vielleicht unscharf, über-, unterbelichtet oder sonst was ist.
Michael Scheyer: Ja. Ja, das haben auch viele Zuschauer eben gesagt. Am Anfang hatte ich immer noch so das Bedürfnis, dass ich mich auch mal dafür entschuldige und wenn ich dann nach dem Film im Publikumsgespräch gesagt habe, naja, Sie sehen es ja, ich habe das alleine gemacht, deswegen ist mir auch mal ein unscharfes Bild reingerutscht. Und dann haben aber die Leute immer gesagt, nein, nein, nein, nein, das ist überhaupt kein Problem. Manche haben das überhaupt gar nicht wahrgenommen und manche fanden gerade das das Schöne an dem Film. Der Film hat ja eine gewisse Authentizität. Ein schwieriges Wort, das muss man immer üben, bevor man sagt. Authentizität allein dadurch, dass er auch Fehler hat. Es ist echt, es ist einfach der erste Film, den ich je gemacht habe. Und ich wusste nicht viel über den Filmvertrieb im Vorfeld, das habe ich alles hinterher dann so gelernt. Zum Beispiel, dass man im deutschen Fernsehen einen 108 Minuten langen Film kaum unterbringt. Die Sendeplätze im deutschen Fernsehen sind sehr bürokratisch, nämlich 90 Minuten lang und 108 Minuten sind da sehr schwer unterzubringen. Es kann schon mal passieren, aber das sind in der Regel dann die Hollywood-Dokumentationen, die das dann eben schaffen, aber die Debütfilm in der Regel nicht. Und ich habe am Anfang auch immer gesagt. Hätte ich es vorher gewusst, hätte ich halt diesen 90-Minuten-Film produziert, dann hätte ich ja vielleicht auch irgendwie eine Chance gehabt für eine Fernsehausstrahlung. Gleichzeitig habe ich aber auch immer gesagt, ich bin eigentlich ganz froh, dass ich nicht wusste, wie das läuft. Weil, so hatte ich das eine Mal vermutlich in meinem Leben die Chance, einen Film mal genauso zu machen, wie ich das für richtig halte, mit allen Szenen, die ich haben wollte, mit der Dauer, die ich haben wollte, ohne das was gekürzt wird, nur um eben auf diese 90 Minuten zu kommen, also um diese Standardisierung einzuhalten. Also das ist halt dann so ein Gesamtkunstwerk, das halt, ich glaube, jeder Zuschauer merkt, dass ist ein sehr echter Film, in dem nichts wiederholt wurde, in dem nichts doppelt gesagt wurde, in dem genau das geschehen ist, was geschehen ist und dazu gehört halt auch einfach mal ein unscharfes Bild.
Klaus Reichert: Jetzt bist du aber trotzdem eben Medienschaffender, du hast schon sehr viel in der Richtung gearbeitet, gemacht in deinem Job auch als Journalist und du weißt, worauf es ankommt, um zum Beispiel zu kommunizieren. Also das heißt, du bist ja nicht ganz unbedarft an das Thema rangegangen dann am Ende. Wie sehr war das für dich dann wichtig oder wie hast du das dann geschafft, das quasi hinter dir zu lassen, um eben unbedarft, in Anführungszeichen, das zu machen, was du machen wolltest?
Michael Scheyer: Also ich glaube, es war an sich schon mal ganz leicht, weil ich ein Projekt dieser Dimension noch nicht angegangen bin und genau in diesem Fall eigentlich noch wenig Erfahrung hatte. Ich habe technische Erfahrungen, ich weiß, wie man eine Kamera bedient, ich weiß, wie man schneidet, ich weiß, wie man ein Interview führt, ich kann auch Texten und ich kann auch sprechen. Das sind alles Dinge, die ich natürlich als Fernsehjournalistin und auch als Zeitungsjournalist gelernt habe, auch als Radiojournalist habe ich ja kurz gearbeitet. All das kann nicht, das sind halt so Fähigkeiten auf die ich zurückgreifen kann, aber wie man eine Geschichte erzählt über anderthalb Stunden Länge, das war mir noch nicht so richtig klar. Und, naja, ich glaube, bei vielen Dingen in meinem Leben sowieso, die ich angegangen bin, habe ich eigentlich immer so dieses einfach-mal-machen-Prinzip gehabt, ohne vorher Lehrgänge und große Vorbereitungen zu treffen, einfach mal machen, einfach mal schauen, was passiert. Und wenn ich dann was wissen muss, dann kann ich ja Leute fragen, wenn ich an irgendeiner Stelle nicht weiterkomme, ja. Also nicht alles, was ich in meinem Leben so angefangen habe, hat im Endeffekt dann auch geklappt, ja. Ich wollte auch mal Banjo lernen und habe mir ein Banjo besorgt und habe mir ein Lehrbuch besorgt und habe angefangen, so rumzuzupfen, aber dann kam irgendwann der Punkt, wo ich nicht weitergekommen bin. Und genau an diesem Punkt hätte ich wahrscheinlich in eine Musikschule gehen sollen mit einem Lehrer, der mir eben zeigt, wie ich dann über diese Schwelle hinauskomme. So, also das ist im Prinzip, das kann funktionieren und kann nicht funktionieren. In diesem Fall hat es aber geklappt, ich habe es einfach mal angefangen und bin dann sehr weit gekommen. Und ich habe natürlich auch, der Film war ja dann nicht einfach nur so mal da, sondern ich habe mir natürlich auch im Produktionsprozess Feedback geholt, Rückmeldungen. Habe immer wieder zu kurzen Sequenzen mich dann erkundigt, funktionieren die, wie findest du das? Also, meine Frau natürlich ganz oft auch, schau dir das mal an, findest du das spannend, versteht man das, ist das verwirrend oder so? Und dann kam halt so eins zum anderen. Am Ende, das muss ich ja auch, ganz wichtig, noch sagen, habe ich noch einen ganz tollen Tontechniker gehabt. Das ist das Einzige, was ich nicht selbst gemacht habe. Der Wolfram Höger aus Kißlegg, das ist ein ganz alter Bekannter und Freund von mir, auf den bin ich dann auch zugegangen, du, kannst du mir bitte den Film richtig tonmäßig abmischen? Weil das ist etwas, was ich nicht wirklich gut kann, da muss man die richtigen Gerätschaften für haben und eine Ahnung haben, von was man da macht. Und der hat diesen Film akustisch noch mal sehr, sehr, sehr schön gesäubert und gut gemacht. Und eben, an dem Punkt, wo ich dann nicht weiterkam, habe ich eben da um Hilfe gebeten, ja und dann ging es auch, ja. Wenn ich das nochmal eben zusammenfasse, das Prinzip war, einfach mal machen! Einfach mal schauen, mit dem, was du kannst, wieweit kommst du. Ein bisschen, wie der Thomas auf die Berge gestiegen ist, der wollte ja auch immer nur soweit kommen, wie er mit seinem eigenen Sauerstoff ohne Sauerstoffflasche gekommen ist. Und dann auf einmal ist er sehr viel weiter gekommen, als er es vielleicht auch selbst dachte. Und ich bin mit dem Film jetzt auch viel weiter gekommen, als es vielleicht im Vorfeld mir jemand zugetraut hätte.
Klaus Reichert: Ja und du vielleicht auch dir selbst zugetraut hättest oder gedacht hättest, in dem Moment.
Michael Scheyer: Ganz sicher, genau. Also wenn ich im Vorfeld, wenn mir jemand gesagt hätte, du wirst da anderthalb Jahre später vor Menschen im Publikum sitzen, die du nicht kennst, die deswegen ins Kino gehen, weil sie nur das Plakat gelesen haben, also nicht meine Familie sind, dann hätte ich das möglicherweise nicht für vorstellbar gehalten. Ja, ja, so ist es, ja.
Klaus Reichert: Im Grunde bist du doch auf einen Berg gestiegen und kamst mit einem Kinofilm zurück.
Michael Scheyer: So kann man es sagen.
Klaus Reichert: Jetzt ist es aber nicht ganz so einfach, du hast schon ein bisschen was von einem Produktionsprozess erzählt, hast dann auch Hilfe in Anspruch genommen, aber das Meiste oder den großen Block der Arbeit hast du selbstgemacht. Das hast du ja auch noch nicht gewusst, also da gibt es auf der einen Seite natürlich auch so Sachen wie schneiden, ja. Technisch ist es dir sicher im Begriff gewesen, auch die Software dazu, aber auf der anderen Seite das jetzt in Verbindung mit einer Geschichte zu bringen und entsprechend zu schneiden und so weiterzumachen, da gab es doch sicher sehr, sehr viel Neuland für dich.
Michael Scheyer: Das gab es auf jeden Fall, ja, ja. Jetzt mal, wenn man ganz technisch in das Schnittprogramm hineingeht, dann waren die Projekte, die ich vorher halt geschnitten habe, die waren halt dann irgendwas zwischen fünf und zehn Minuten lang. Das ist ein ziemlich überschaubarer Rahmen und dann sieht man im Prinzip alle Schnitte, die man gemacht hat. Es sind ja so wenige, ja, es sind, ja, keine Ahnung, sagen wir mal, pro Minute, wenn man da 20 Schnitte rechnet und es auf zehn Minuten, das sind ja alles überschaubare Größenordnungen. Und als ich dann aber das erste Mal so eine zweistundenlange Sequenz hatte mit unzähligen Schnitten, unzähligen Ebenen übereinander und mental diesen Film zu ordnen und zusammenzuhalten bei dem, was man sieht, das war auf jeden Fall Neuland. Und das hat auch viel Zeit gekostet. Also das habe ich ein bisschen unterschätzt. Ich habe, ja, man kann so ungefähr sagen, also ich habe im November und den halben Dezember, also anderthalb Monate habe ich eigentlich jeden Tag zehn Stunden an diesem Film gearbeitet. Da bin ich morgens ins dunkle Büro verschwunden und abends kam ich wieder raus, war wie ein schwarzes Loch und die Zeit dazwischen war weg. Also es war wirklich sehr, sehr, sehr, sehr, sehr, sehr viel Arbeit. Und immer dann, wenn ich mal kurz etwas an diesem ganzen Projekt aktualisieren wollte, also um einen anderthalb Stunden Film einmal durch zuschauen, ja, dann ist man halt tatsächlich viereinhalb Stunden beschäftigt. Weil man schaut ja diese meinetwegen 30 Sekunden, schaut man einmal an, dann verändert man etwas, was ungefähr 30 Sekunden dauert und dann schaut man es ja nochmal 30 Sekunden an. Und wenn man das halt auf anderthalb Stunden rechnet, dann schaut man etwas anderthalb Stunden an, verändert etwas, was anderthalb Stunden dauert und dann schaut man es nochmal anderthalb Stunden an. Also ich kenne dieses Ding mittlerweile in- und auswendig, aber so diese Draufsicht auf dieses Riesending, das war etwas wirklich komplett Neues, das hatte ich vorher nicht gemacht, vorher war ich sehr schnell immer sehr effektiv. Und da musste ich mir natürlich auch Zeit nehmen und es auch mit dem Text abzustimmen und auch mich in dieses, was da so alles war, auch hinein zu fühlen, ja. Und es gibt zum Beispiel auch viele Szenen, die kommen gar nicht vor im Film, obwohl sie sehr lustig waren. Also wir hatten eine Szene, da sitzen der Peter und der Hansi mitten in diesem kläglichen, in diesem spärlichen Stein- und Gräsergebiet unten am Fuße des Kilimandscharo auf einem großen Felsen und wir machen da alle Pause und sie unterhalten sich über Vor- und Nachteile der richtigen Spätzlepresse, ja, wie man das macht und wo er seine letzte Spätzlepresse gekauft hat und was er für einen Teig rauskommt und so. Und das ist natürlich ein wunderschöner Moment, wie die da sitzen und miteinander über Spätzle philosophieren. Aber diese Szene hat in den Film nicht reingepasst, weil in der Szene vorher und hinterher ein ganz anderes Gefühl war. Das war, da geht es um die Menschen am Kilimandscharo und wie sie eben in dieser schwierigen Zeit durchkommen. Und wo ich mir darüber Gedanken mache, wenn man viel im Urlaub ist, ob man sich immer Gedanken macht, wem man eigentlich sein Urlaubsgeld gibt, ob man es jetzt TUI gibt oder so einen großen Reiseveranstalter oder so Menschen, die man halt direkt damit bezahlt oder so. Also es war eben ein sehr nachdenklicher Moment und da hat so eine lustige Szene nicht reingepasst, also habe ich die gestrichen, damit da nicht irgendwie so ein Bruch mitten drin war oder so. Also das sind so Sachen, die einen auch bei der Produktion nachher emotional schon ein bisschen hin und her werfen, ja.
Klaus Reichert: Ich finde dieses Hin und Her ist ja eigentlich auch das Spannende jetzt an der Stelle. Du bist da in einem kreativen Prozess drin, dieser Prozess, der ist voller Ideen und auf der anderen Seite auch Frustration, voller Lernen, voller Ausprobieren, voller Experimentieren auch. Du arbeitest am Film so ein bisschen auch, wie wenn man zum Beispiel ein Tonmodell macht, in dem man da was dazu nimmt, was wegnimmt, ein bisschen was verändert und so weiter und so entsteht eben aus vielen einzelnen Szenen am Ende eben eine Geschichte, ein fertiges Produkt, in Anführungszeichen. Etwas, was einem hilft, eben das Ganze mitzuerleben, zu verstehen, was du sagen wolltest. Und das ist so das Eine natürlich, aber auf der anderen Seite macht es natürlich mit dir auch etwas, was du sagst, wo du dann sagst, Mensch, ich bin jetzt eigentlich anders wie vorher.
Michael Scheyer: Das stimmt auf jeden Fall, das kann man so festhalten, ja, auf zwei Ebenen sogar, ja. Also auf einer, sagen wir mal, recht rationalen Ebene ist das so, weil ich in diesem Prozess, in dem ich einfach mal angefangen habe und einfach soweit gemacht habe, wie ich gekommen bin und da, wo ich dann nicht weitergekommen bin, irgendwann habe ich mich ja dann doch mal informiert. Und irgendwie, seid der Film fertig war, wie man diesen vertreibt, wie man mit Kinos spricht, wie man ihn auf Festivals bewirbt. Wie funktioniert der ganze Dokumentarfilmmarkt auch international, sowas, mit solchen Sachen habe ich mich ja extrem intensiv beschäftigt dann. Und auf einer sehr rationalen Ebene habe ich unheimlich viele Fertigkeiten gelernt und Kenntnisse, die ich vorher nicht hatte und die sind dann praktisch einfach so mal mit dazu gekommen, Das hat mich schon zu einem Fachmann gemacht, ja. Also natürlich jetzt nicht im Vergleich zu jemandem, der das schon seit zehn Jahren macht, aber wenn mich jetzt jemand fragt, wie macht man einen Kinofilm, dann kann ich dazu eine valide Auskunft geben, ja. Das war vielleicht vor einem Jahr noch nicht der Fall, oder wie man einen Film macht und wie man damit auch ein bisschen Geld verdient. Ein bisschen, Betonung auf bisschen, nicht viel Geld verdient. Und auf einer emotionalen Ebene hat es mich aber natürlich auch verändert, weil ich ein bisschen mehr Selbstvertrauen tatsächlich in einen solchen kreativen Arbeitsprozess gewonnen habe, der schon eine große Herausforderung ist. Und ich glaube, vielleicht ist das auch so ein bisschen die Antwort, warum ich es gemacht habe, ich wusste ja nicht, was für eine große Herausforderung und was für eine große Mühe das einfach alles ist. Und, wohlgemerkt, als der Film fertig war und ich die ersten Festivalabsagen bekommen habe, ich habe ja auch sehr viele Festivalabsagen bekommen, da muss man sich auch drauf vorbereiten, ja, der Dokumentarfilmmarkt ist riesig und das sind sehr gute Leute, die sehr gut finanziert sind dabei, so als Newcomer einfach mal so dann irgendwie an ein namhaftes Festival zu geraten, das passiert nicht von allein. Und damit war viel Frust verbunden, ja. Und wenn ich so gewusst hätte, die ersten drei, vier, fünf Monate wie viel Frust, hätte ich es vielleicht da auch nicht gemacht. Also so, all das konnte mich nicht abschrecken, weil ich es nicht wusste, ich habe es einfach mal gemacht. Dann habe ich meinen Erfahrungsprozess gehabt und viel gelernt und jetzt bin ich da auch durchgegangen, jetzt wird es mich nicht mehr abschrecken. Also vorher hat es mich nicht abgeschreckt, weil ich es nicht wusste, jetzt schreckt es mich nicht ab, weil ich es schon erlebt habe und auch gar nicht mehr so tragisch sehe.
Klaus Reichert: Und für dich wäre es jetzt auch ganz leicht, den nächsten Film anzugehen?
Michael Scheyer: Habe ich schon, ich habe den nächsten Film schon in Produktionen, schon seit über einem Jahr, es ist ein Langzeitprojekt. Ich begleite eine junge Frau, die an einer ganz seltenen, wirklich einer der seltensten Erkrankungen, die es gibt, erkrankt ist, ein Gendefekt und sie sitzt im Rollstuhl. Und von diesen Menschen, die davon betroffen sind, gibt es in Deutschland bekannt ungefähr 50 Personen, also so selten ist das. Und die begleite ich jetzt seit über einem Jahr und es wird vielleicht nur ein halbes Jahr dauern und dann wird wahrscheinlich dieser Film fertig sein. Also das kann man nicht vergleichen mit dem Kilimandscharo-Film, weil, der Kilimandscharo-Film, da haben die Dreharbeiten eben genau acht Tage gedauert, also genauso lange wie es gedauert hat, auf diesen Berg zu steigen. Und ich hatte mir dann überlegt, ob ich den Film noch anreichern möchte mit Interviews nach dem Aufstieg. Also ich habe mit allen Beteiligten auch im Hotel zwei Tage später noch mal Interviews gemacht, so retrospektiv, was habt ihr da erlebt, wie hat es euch verändert und so weiter? Aber im Schnitt habe ich dann festgestellt, dass Erstens ich die Interviews nicht brauche, um die Geschichte zu erzählen und Zweitens sie auch nicht wirklich gewinnbringend waren, weil sie auch noch emotional viel zu nah dran am Ereignis waren. Also ich hätte dann diese Interviews eher so einen Monat oder zwei Monate danach später nochmal machen müssen, damit so dieser Enthusiasmus und dieser ganze emotionale Overkill, den man da ja hat, damit der mal ein bisschen abgeklungen ist und die ganzen Teilnehmenden, dass die dann eben auch so ein bisschen Abstand zu der Sache haben. Also so, wie ich das Filmmaterial liegen lassen habe, hätten die vielleicht auch mal den Kilimandscharo liegenlassen müssen und dann erst die Interviews führen. Das habe ich alles nicht gemacht, ich wollte, dass der Film ausschließlich auf dem Berg spielt. Und jetzt bei dem neuen Projekt ist das so, ich besuche diese junge Frau und ihre Familie im Prinzip alle zwei oder drei Monate mal für ein oder zwei Tage und habe dann so einen ganz Langzeitverlauf und hat einen ganz anderen Ansatz und das ist auch ein wissenschaftliches Thema. Also da geht es darum zu erläutern, was es mit dieser Krankheit auf sich hat und wie die damit zurechtkommen.
Klaus Reichert: Das ist aber auch wieder ein Projekt, wo du für dich selbst arbeitest, auch nicht mit einem riesen Team, Hollywood, ne.
Michael Scheyer: Ja, genau.
Klaus Reichert: Auch nicht wie bei Bollywood mit einem riesen Team an Tänzer und Tänzerinnen plötzlich auftauchst, sondern das bist du dann.
Michael Scheyer: Das bin ich. Und dazu vielleicht noch ein Wort, ich war, als ich Fernsehjournalist war, auch fast immer als Videojournalist unterwegs. Videojournalist nennt man die Menschen, die alleine losziehen mit Kamera und Mikrofon, ohne Tonmann, einfach ganz allein. Und der Videojournalist, der ist so ein bisschen auch in die Welt gekommen, weil früher haben sich Fernsehsender und so Produktionsfirmen gedacht, Mensch super, das kann ja auch einer allein. Das kostet ja viel weniger Geld als drei Leute zu schicken. Also das war natürlich eine Sparmaßnahme. Nun ist es aber so, als Videojournalist, wenn man ganz allein da ist, entwickelt man ein komplett anderes Vertrauensverhältnis zu den Personen, mit denen man zu tun hat. Und jetzt ist es so, da will ich zunächst mal gar nicht bewerten, weil das kann positiv und negativ sein, wenn man einen journalistischen Beitrag macht, der wirklich Distanz haben soll, einen Blick von außen haben soll, objektiv sein soll, dann ist es gar nicht so klug, wenn sich jemand zu sehr mit seinen Protagonisten beschäftigt. Also wenn wir jetzt meinetwegen für die Tagesschau sowas machen oder eine Monitor-Reportage, dann will man natürlich gar nicht so ein enges Verhältnis haben, weil man dann vielleicht sogar gefärbt ist, wenn man jemanden dann auch nett findet, der vielleicht gar nicht so nett ist, also das darf nicht passieren. Das ist jetzt natürlich so ein bisschen ein Konstrukt konstruiertes Bild, für einen distanzierten, reservierten, sachlichen Journalismus sollte man sich nicht vereinnahmen lassen von den Personen, ja. Es gibt ja auch das berühmte Zitat von, vermutlich wird es Henri Nannen gewesen sein, ja.
Klaus Reichert: Im Zweifel war es immer Henri Nannen.
Michael Scheyer: Im Zweifel war es immer Henri Nannen, aber ich bin mir nicht mehr ganz sicher, aber das berühmte Zitat, „ein guter Journalist macht sich mit keiner Sache gemein, auch nicht mit einer Guten“. Ja, das ist schon so, die Idee des Journalismus ist, dass man neutral ist. Aber, es gibt Filmprodukte, die genau das Gegenteil brauchen, die eine Nähe zum Protagonisten brauchen, damit er sich öffnet, damit er auch seine Emotionen zeigt. Damit er sich ja auch dem Team gegenüber in einem Vertrauensverhältnis empfindet und begreift, damit er auch das, was in ihm vorgeht, teilt. Und so war das auch ein bisschen beim Thomas und mir, wir kannten uns ja schon lange vorher, ich habe schon mehrfach über ihn berichtet und ich hatte ihm zugesagt, ich gehe da mit auf den Kilimandscharo, weil ich das selber will. Also es war mehr eine freundschaftliche Basis, die dem Projekt zugrunde lag. Und diese freundschaftliche Basis hat sich dann auch noch auf die anderen übertragen und es war dann relativ schnell so, nach eigentlich dem ersten, zweiten Tag schon, dass die ganze Gruppe diese Kamera nicht mehr wahrgenommen hat und deswegen ist alles so ehrlich. Deswegen hat der Hansi auch, er trägt sein Herz auf der Zunge, das muss man sagen, ja, alle, die dabei waren, waren ganz offen und ehrlich und haben auch vor der Kamera auch geweint. Nicht, weil sie jetzt vor der Kamera weinen wollten, aber weil sie das einfach, als der Hansi da oben am Kraterrand ankommt, so viel sei verraten, das ist gar nicht so das Entscheidende von dem Film, es ist eine sehr emotionale Szene und ich habe immer noch Gänsehaut, wenn ich daran denke. Aber er konnte da ganz befreit und vertrauensvoll auch weinen, weil er mich als Kameramann nicht mehr als Fremdkörper wahrgenommen hat, sondern als Teil der Gruppe. Und das kann er eben ein Videojournalist, also so dokumentarisch arbeiten, damit man ganz nahe an die Menschen ran kommt, dass sie das zulassen. Das kann halt eher ein kleines als ein großes Team und deswegen mache ich das gerne eben allein.
Klaus Reichert: Man darf auch nicht vergessen, das fällt mir immer wieder auf, du bist eben auch nur mit einer kleinen Kamera, mit ganz wenig sichtbarem Equipment unterwegs, ja. Also viel Profiausrüstung ist einfach groß, viel Zeug dran, muss viel können. Zwei Menschen, drei Menschen kommen mit dazu, die haben dann das Mikrofon an einer langen Stange, man kennt es ja so ein bisschen aus verschiedenen Reportagen. Von ALFONS kennt man es zum Beispiel, wie das dann auch ausschaut, ja. Das ist nicht wirklich so, dass man sich da integriert, sondern man ist quasi als Technikteam irgendwie auch mit dabei. Da kann man sich sicher auch dran gewöhnen, aber es ist eben nicht so leicht, wie wenn man eben mit der kleinen Kamera, die ja nicht größer ist als eine große Handfläche, ein bisschen Objektiv dran, dann schon sehr unscheinbar ist.
Michael Scheyer: Ja genau. Ja, ja, genau und das, das hat schon, also die Größe des Gerätes hat für die Wahrnehmungen schon einen Unterschied. Also wenn man eine Straßenumfrage macht, würde ich auch eher mit einer großen Kamera losziehen, da kriegt man mehr Antworten als mit einer kleinen Kamera. Weil große Kamera, glaubt man eher, dass das ein Fernsehsender ist, als mit einer kleinen Kamera.
Klaus Reichert: Ja, das ist eine komplett eigenartige Einstellung zum Thema. Aber auf der anderen Seite, wenn man tatsächlich beobachten möchte, wenn man Teil von einem Geschehen sein möchte, ist es natürlich wieder ganz gut, wenn man nicht so wahrgenommen wird, als wäre man von einem Fernsehsender.
Michael Scheyer: Ganz genau, ja.
Klaus Reichert: Okay. Jetzt hast du alleine gearbeitet, also in dieser Gruppe. Wie hast du dich dabei selbst organisiert im Drehprozess, in der Vorbereitung vielleicht zu dem Ganzen, dann natürlich in dem Schnittprozess, hast du dir eine To-do-Liste gebaut, hast du das irgendwie strukturiert, hattest du ein besonderes Tool dafür?
Michael Scheyer: Nee, tatsächlich hatte ich all das gar nicht. Ich hatte einfach nur auf dem Weg, also ich wusste ja, wie lang wir aufsteigen werden, acht Tage, das war das Einzige, was ich wusste und ich wusste, es gibt keine Steckdose. Das waren die beiden Sachen, mit denen ich klarkommen musste. Und es war mir schon klar, dass ich für jeden Tag genug Aufnahmekapazität mitnehmen muss, weil man ja nicht weiß, wann irgendwas Spannendes ist. Und dann hätte ich wahrscheinlich am, was weiß ich, Montag und Dienstag was Langweiliges gefilmt und die Kapazität wäre aufgebraucht gewesen, am Donnerstag, Freitag wäre aber was Spannendes gewesen. Also das, da war ich schon zumindest clever genug zu denken, du brauchst für jeden Tag eine Stunde. Das war mein Ziel, für jeden Tag eine Stunde Aufnahmekapazität. Ein Akku hat für ungefähr 30 Minuten Aufnahme gereicht und deswegen sind es eben also 14 Akkus und zwei Powerbanks gewesen, um dann eben die 16 voll zu kriegen, wenn man so will. Aber dann bin ich völlig unstrukturiert im Prinzip einfach losgelaufen. Ich habe mir die Kamera an den Rucksack dran gemacht mit so einem Lederriemen. Das hatte ich nicht um den Nacken hängen, weil irgendwie, wenn man acht Stunden lang das um den Hals hat, dann hat man halt immer einen steifen Nacken. Ich habe mir das so ein bisschen so gemacht, dass ich das immer am Rucksack hatte und dann hatte ich die einfach immer am Brustkorb hängen. Also die Kamera hing immer direkt an diesem Riemen von meinem Brustkorb, den ganzen Tag über und immer dann, wenn ich das Gefühl hatte, hier unterhalten sich die Leute jetzt über irgendwas Spannendes oder das ist eine schöne Perspektive oder hier sieht es aber schön aus oder hier passiert gerade was Lustiges, dann habe ich einfach drauf gehalten. Jetzt bringe ich noch ein anderes Zitat wieder mal rein, was ich gerne in meinen Kursen gebe, von Stanley Kubrick, dem großen Regisseur, der Filme wie Shining, Full Metal Jacket oder Space Odyssee oder sowas gemacht hat, der war selbst ja auch Fotograf, ja. Also das war der jüngste Fotograf des New York Magazine, glaube ich, der war gerade mal 16, 17 Jahre alt, da haben die den ja verpflichtet, weil er so ein tolles Foto damals geschossen hat. Und der sagte, das Beobachten ist eine aussterbende Kunst. Und dass ist das, was ich auch immer bei mir im Kurs sage, man muss beobachten, ja. Stanley Kubrick hat auch gesagt, der Film findet vor der Kamera statt. Und das versuche ich den Leuten immer zu erläutern, wenn es um dokumentarische Dinge geht. Hängt nicht so viel an der Technik, beschäftigt euch nicht damit, wie man einen unscharfen Hintergrund hinbekommt oder mit welchem Objektiv man welchen Effekt hat oder wie toll jetzt eine Drohnenaufnahme oder sowas aussieht, sondern schaut hin, seht zu beobachtet, beobachtet, was passiert. Und ich habe halt den ganzen Tag über beobachtet, ich habe einfach nur beobachtet und wollte wissen, was da passiert. Und immer dann, wenn irgendwas Besonderes passiert ist oder jemand auch mir etwas Besonderes mitteilen wollte oder etwas emotional war, dann habe ich halt einfach die Kamera angemacht. Also das ist möglicherweise die Expertise, die ich grundsätzlich als Medienschaffender mitgebracht habe, wir haben dann doch ein Auge entwickelt, was ist spannend, was ist interessant. Und witziger Weise, das beherrscht jeder Mensch ja auch, ja, jeder Mensch, wenn er total von etwas fasziniert ist, schaut er ja automatisch hin, was ihn fasziniert. Nur die Medienleute haben halt gelernt, in genau dem Moment halt auch noch ein Gerät in die Hand zu nehmen und sich eben damit dann zu beschäftigen und genau das habe ich getan. Und dann hat der Prozess, nachdem ich das alles dokumentiert hatte, dann begann ein anderer Prozess. Das war dann so der zweite Teil, nachdem ich das Material habe liegenlassen und mich dann um den Schnitt gekümmert habe, dass ich das alles mal sichten musste und mir überlegen musste, was habe ich da eigentlich für einen Film? Und, ja, was dann eben eine große Herausforderung war, wenn man von der Dramaturgie her denkt. Und ich habe ja ganz am Anfang relativ lang erklärt, es sind eigentlich drei Filme oder drei Dimensionen oder drei Ebenen, mit denen sich der Film beschäftigt, wie kriege ich die voneinander getrennt oder was war eigentlich der eigentliche Film? Und der ursprüngliche Titel des Films, der Originaltitel, mit dem ich gestartet habe, ist ja, wie man auf den Kilimandscharo steigt, mit und ohne Krücken. Also es ist eigentlich ein Erklärfilm, wie man auf den Kilimandscharo steigt, entweder man hat Rücken oder man hat keine Krücken. Und wir mussten das verknappen und verdichten und ein bisschen zuspitzen und daraus ist eben dann „Kilimandscharo – diesmal mit Krücken“ geworden. Und das ist auch ein sehr toller Titel. Da bin ich meinem Verleiher Schmidbauer-Film übrigens sehr dankbar, wir hatten einen ganz tollen Kreativprozess, um dieses Plakat neu zu machen und eben den Titel zu gestalten. Und das ist alles gut, aber die Ursprungsgeschichte war für mich oder die Herausforderung war, diese drei Geschichten zu erkennen und sie dann getrennt voneinander zu erzählen, aber auch miteinander zu kombinieren, also Thomas Geschichte, die Schwabengeschichte und praktisch den Erklärfilm. Und deswegen hat man was zu lachen, man hat sehr viel Informationen und am Ende hat man einen Kloß im Hals, diese drei Dinge, ja.
Klaus Reichert: Man kann den Film ja in verschiedensten Programmkinos unter anderem anschauen. Die Termine, die hast du auf der Webseite, wir werden es verlinken in den Shownotes. Michael, du hast jetzt schon angefangen, das so zusammenzufassen für Menschen, die sowas auch angehen wollen, wenn du das jetzt aber so im kurzen Überblick mal darstellen würdest, was ist denn wichtig, damit man sozusagen den Steven Spielberg in sich erkennt und zulassen kann? Was ist denn wichtig, deiner Meinung nach, deiner Erfahrung jetzt nach diesem Projekt, um sowas auch selbst zu realisieren?
Michael Scheyer: Ja, ich habe ja tatsächlich in den letzten Wochen, wo ich in den vielen Kinos in Baden Württemberg und Bayern vornehmlich unterwegs war, habe ich mir ganz oft überlegt und vor allen Dingen in den Kinos immer wieder zu hören bekommen hab, dass, was am meisten nachgefragt wird im Kino, diese kleinen lokalen Geschichten sind. Diese kleinen, authentischen, selbstgemachten Dinger, die werden von einem großen Publikum sehr wertgeschätzt und sehr gern gesehen, weil sie nicht diese Marketing-Maschinerien haben, ja und weil sie nicht dieses Großprodukt sind, sondern weil es halt irgendwie so der Nachbar um die Ecke ist. Und da habe ich mir ganz oft gedacht, das ist eigentlich schade, dass es nicht mehr von diesen kleinen langen Dokumentationen gibt. Es gibt öfters mal so Filmklubs, die machen dann solche Dokumentarfilme über Sachen vor Ort, aber, ich glaube, viele Menschen, vor allen Dingen Journalistinnen und Journalisten haben das noch nicht auf dem Schirm, dass sie so ein Großprojekt auch machen können. Und da ist, glaube ich, ganz wichtig, dass man sich zunächst mal gar nicht an das Ausgangsprodukt denkt und sich davon irgendwie hemmen lässt oder beeindrucken lässt, sondern dass man einfach, wenn man die richtige Geschichte hat, wenn man etwas ganz leidenschaftlich zu erzählen hat. Es ist im Prinzip ganz einfach, wenn man Geschichte hat, die man auf jeder Party erzählt und alle finden es faszinierend, dann hat man einen Kinofilm. Das es ist immer so, man kann nicht irgendwas ins Kino bringen, man braucht die richtige Geschichte. So und wenn man das hat, dann kann man einfach mal anfangen zu sammeln, einfach mal sammeln, machen, sich nicht abschrecken lassen von, ich habe kein Geld für große Kameras. Man kann auch mit dem Handy filmen, es gibt auch Dokumentationen, die werden mit Handys produziert, einfach mal loslegen. Und dann wenn man das Gefühl hat, ja, okay, ich bin jetzt an einem Punkt, ich habe wahnsinnig viel, jetzt muss ich es mal sichten, da beginnt dann ein professioneller Prozess. Und da muss man natürlich schon ein bisschen Ahnung haben, aber auch da muss man sich nicht abschrecken lassen. Wenn man Journalist ist, kann man ja auch lange Geschichten erzählen, ja. Dann muss man halt auch ein bisschen Mal üben und was drauf packen und vielleicht eben mit Menschen, Feedback und sowas einholen. Aber von Anfang an geht es eigentlich nur darum, hab die richtige Geschichte, bleibe an der dran, setz dich damit auseinander. Da musst du natürlich auch ein bisschen Freizeit investieren, also je nachdem. Du brauchst ein ordentliches Gerät, das aber, wenn man jetzt mal, also Hand aufs Herz, irgendwie ein ordentliches Gerät kostet heute irgendwas zwischen 500 und 1.000 €. Die Kamera, mit der ich gedreht habe, ist gebraucht im Augenblick 600 € wert. Also man braucht ja keine Arriflex für 75.000 € kaufen, um sowas zu machen, das geht auch damit. Und dann einfach alles, was man schon mal gemacht hat, einfach nur lang machen. Das gilt für Journalistinnen und Journalisten, ja. Für jemand, der überhaupt noch gar nie so etwas gemacht hat, für den ist das vielleicht auch nochmal eine etwas größere Herausforderung, aber auch der kann das machen. Und vielleicht nur noch, muss ja gar nicht nur mein Film sein, aber wir kennen ja alle den Film Weit oder haben davon gehört. Das ist dieser Dokumentarfilm von dem jungen Paar aus Freiburg, die irgendwann auf eine Weltreise gegangen sind und so lange nach Westen reisen wollten, bis sie irgendwann aus dem Osten wieder nach Freiburg zurückkommen. Und die haben das gemacht, sind sehr lange auf Reisen, ich glaube, anderthalb Jahre waren sie auf Reisen und sind mit einem Kind zurückgekommen, ja. Und das war ein Kinophänomen, ich habe das neulich mal bei Wikipedia nachgeschaut, die haben 550.000 Zuschauer gehabt. 550.000, das ist eine unfassbare Menge an Zuschauern. Und die haben auch einfach nur mal gemacht, die haben einfach nur ihre Weltreise dokumentiert. Und dann sind sie zurückgekommen und dann haben sie ein Crowdfunding gemacht, um einen Cutter zu bezahlen. Und dann haben die, glaube ich, 50.000 € zusammengesammelt und mit diesem Geld haben sie dann zwei Profis bezahlt, um diesen Film zu produzieren. Aber sie haben ihn selbst besprochen auch, also das sind auch keine trainierten Sprecher gewesen. Das sind einfach Menschen, die das, was sie erlebt haben, einfach auch gut, leidenschaftlich und ehrlich erzählen konnten. Und das ist, glaube ich, das viel Entscheidendere heutzutage als alle Professionen, die man sich aneignen kann oder nicht, man muss es einfach nur von Herzen und leidenschaftlich und echt machen. Und dann kann man auch auf Experten zurückgreifen, wenn man nicht weiterkommt oder man macht einfach soweit, wie die eigenen Fertigkeiten es eben zulassen.
Klaus Reichert: Großes kann entstehen, wenn man Schritt für Schritt drauf zugeht, das ist so ein ganz wichtiger Punkt. Aber ganz am Anfang steht eben, etwas zu haben, von dem man erzählen möchte, über das man erzählen möchte, das ist der Start. Da hilft so ein gewisses technisches Grundverständnis natürlich, aber da braucht man eigentlich auch noch nicht so wahnsinnig viel, zumindest noch nicht für den Gesamtprozess, sondern nur für die ersten Schritte. Was ich dann auch noch jetzt herausgehört habe, ist, einfach anfangen, nicht zu viel Sorge haben, nicht zu viel sich einfach zurückzuhalten, sondern drauflosgehen. Und was ich jetzt damit auch verbinden würde, ist, nicht von Anfang an einfach alles perfekt machen wollen, also Mut zur Lücke oder mit dem gut genug eben auch leben zu können.
Michael Scheyer: Ja, genau.
Klaus Reichert: Ja und ein unscharfes Bild ist mal okay. Es sollte nicht alles unscharf sein, dann fühlt man sich unwohl als Zuschauer, aber es ist okay.
Michael Scheyer: So ist es, ja.
Klaus Reichert: Und auch der Ton, wenn er mal nicht ganz perfekt ist zum Beispiel, ist okay, solange die Geschichte stimmt, solange die Geschichte weitergeht auch.
Michael Scheyer: Ja, das stimmt und genau so sehe ich das nämlich. Und auch nur zur Info, ist es schon auch ein wichtiges Bild, was unscharf ist. Also es sind ein paar Bilder, also ich glaube, es sind genau fünf Bilder unscharf, ich hab es ja beim Schnitt genau gesehen. Aber leider ist halt genau ein interviewbild unscharf und das ist doof. Weil, man schaut halt einem Menschen ins Gesicht und man erkennt, dass es so unscharf ist oder so, ja. Es ist es nicht gravierend unscharf, es ist nur so ganz minimal unscharf, aber der Profis sieht, er hat die Schärfe nicht hingekriegt, ja. Aber es hat mich noch nie jemand drauf angesprochen, weil das einfach nicht erheblich ist. Weil das, was der Thomas da sagt, so spannend ist, dass man da auch drüber hinwegsieht, ja. Es ist gut genug, es ist gut genug, weil ich sehe, was der Thomas, wie es ihm geht und ich höre, was er sagt und dann ist es gut genug. Und echt ist gut genug.
Klaus Reichert: Du bist eben dann auch mit Herzblut dabei, wenn du die Geschichte erzählen kannst, die du erzählen willst, wenn du dabei was Neues erlebst, wenn du dich selbst weiterentwickelst, wenn du interessante Menschen dabei erlebst, wenn du die Entwicklung dieser Menschen dann miterlebst. Das bringt ja etwas in dir hervor, nicht nur ein Flow-Gefühl oder eine Flow-Vorstellung, sondern eben tatsächlich auch etwas, wo wir dann sagen, Mensch, wollen jetzt eigentlich unser Bestes hier geben, aber wir akzeptieren, dass wir auch Grenzen haben.
Michael Scheyer: Ja, genau, das hört sich sehr gut an, ja. Und ich meine ja gerade, ich habe es gerade angedeutet, ich finde es fast schade, dass ganz viele Journalistinnen und Journalisten genau das nicht systemisch machen. Also wenn man so die vielen Lokaljournalisten in Deutschland nimmt, die stolpern alle mindestens zwei- oder dreimal im Jahr über solche sensationelle Geschichten, ja. Das ist nicht dein Alltag, aber ein- bis zweimal im Jahr hast du jemanden, der etwas so Faszinierendes gemacht hat, dass du dir denkst, da solltest du mal eine ganze Doku drum drehen. Und in dem Moment, wo man sowas denkt, sollte der Journalist das auch machen. Nur der Lokaljournalist macht da normalerweise keine Kinofilme, der schreibt dann eben einen kurzen Artikel dazu, das ist dann auch schön zu lesen für alle, aber der wird dann nicht die weiteren Schritte gehen bis zu dem größten Projekt, was möglich wäre. Aber so habe ich das ja gemacht. Ich habe über den Thomas mehrfach berichtet und irgendwann kam die Geschichte und ich wusste, nein, also, es kam nicht die Geschichte und ich wusste, ich muss daraus einen Dokumentarfilm machen, aber diese Geschichte fand ich so spektakulär, dass ich dran bleiben musste. Ich wusste noch nicht, dass ein Film bei rumkommt, aber ich musste einfach da am Ball bleiben. Das wollte ich nicht liegen lassen, das war irgendwie etwas total Faszinierendes. Was ich auch eben auf jeder Party erzählt habe, ja. Dass ist ja das, ist immer das, was einen leidenschaftlich permanent beschäftigt und was man anderen erzählt, das ist vielleicht genau das, was man in dieses Dokumentarfilmförmchen gießen muss, um dann auch einfach nur in den drei, vier, fünf Kinos in der direkten Umgebung vielleicht 1.000 Menschen glücklich zu machen. Und 1.000 Menschen sind sehr viele Kinozuschauer übrigens. Also ich bin jetzt bei knapp 3.000 ungefähr und das muss man auch erst mal hinkriegen. Aber wenn man eine tolle Geschichte hat, lokal, ja, die Leute gehen ins Kino und die finden solche Filme sensationell. Also deswegen kann ich nur jeden, der sich damit so beschäftigt oder jeden Journalist und jede Journalistin, die Bammel vor diesem Großprojekt haben, denen will ich tatsächlich Mut machen und sagen, müsst ihr nicht haben, das geht auch, das kriegt ihr auch hin.
Klaus Reichert: Es muss ja nicht immer gleich der große Spielfilm sein, mit dem man anfängt, es reicht ja vielleicht auch die fünf- oder zehn- oder 25-Minuten-Reportage, die man dann baut, Hauptsache ist, man hat es für sich erkannt, welche Themen man dann immer gerne so weitergibt, welche Geschichten man erzählt. Man muss dazu sagen, es ist natürlich auch wichtig, auf Partys zu gehen, dass man diese Geschichten auch erzählen kann, aber ich fand, du hast uns heute einen guten Eindruck gegeben über diesen Entstehungsprozess des Films, über eigentlich auch, in Anführungszeichen, wie einfach es war, das zu machen. Und ich möchte es damit nicht runtermachen, sondern wenn wir jetzt nochmal zurückgehen, eine Kamera, ein Objektiv, genügend Strom und Speicherkarten und dann ging es los und ein Mikrofon noch natürlich dazu.
Michael Scheyer: Ganz genau.
Klaus Reichert: Das müsste eigentlich jedem Mut machen, der Geschichten erzählen möchte.
Michael Scheyer: Das hoffe ich, ja, das hoffe ich sehr.
Klaus Reichert: Vielen Dank, dass du dir heute die Zeit genommen hast und mit dabei warst.
Michael Scheyer: Ganz vielen lieben Dank, Klaus, für die tollen Fragen und für die Chance, die ich hier hatte. Ich glaube tatsächlich, so spannend Thomas Lämmles Geschichte ist, so intensiv durfte ich noch nie über meinen eigenen Film sprechen. Und tatsächlich, er beschäftigt mich nach wie vor sehr, wie ich es ja am Anfang erzählt hab und das hat mir heute auch nochmal sehr viel Spaß gemacht, da auch nochmal reflektiert drüber nachzudenken und drüber zu sprechen, also vielen lieben Dank!
Klaus Reichert: Das war der Smart Innovation Podcast. Er wurde mit einem interessierten Publikum live aufgenommen. Vielen Dank fürs Dabeisein und Zuhören. Diese Episode gibt es auch zum Lesen, der direkte Link ist in den Shownotes. Noch kein Abonnent? Die Show ist überall zu finden, wo es Podcasts gibt. Weitere Informationen und meine Kontaktdaten sind bei klausreichert.de/podcast, dort gibt es auch eine Übersicht der nächsten Liveaufnahme-Termine. Ich bin Klaus Reichert und das war der Smart Innovation Podcast.