In dieser Episode des Smart Innovation Podcast ist Dr. Niels Feldmann vom KSRI am KIT Karlsruhe mein Gesprächspartner. Wir unterhalten uns über Needfinding im Rahmen von Design Thinking Prozessen.
Kreativität bedeutet, etwas Neuartiges zu schaffen, das zugleich von einer Zielgruppe als nützlich bzw. wertvoll erachtet wird. Aber wie findet man heraus, was für die jeweilige Zielgruppe nützlich ist? Die Adressaten einfach nach ihren Wünschen fragen, erweist sich oft als zu kurz gesprungen. In diesem Podcast diskutieren wir Techniken zur Bedürfnisanalyse (auch Needfinding genannt) im Rahmen von Design Thinking Prozessen und wie man aus den damit gewonnenen Erkenntnissen kreative Angebote entwickelt.
Über
Dr. Niels Feldmann ist Head of Digital Service Design & Innovation Lab und Forscher am Karlsruhe Service Research Institute (KSRI) des Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Kreativität und Innovation ist im Kern seiner Tätigkeit.
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vom Zuhören ins Machen kommen
Literaturtipps
Allgemeine Leseempfehlung zu Design Thinking und Needfinding Techniken
Falk Uebernickel et al. – Design Thinking: Das Handbuch
Dieses Buch bietet einen guten Einstieg in den Design Thinking Ansatz. Der hier vorgestellte Ansatz bildet die Basis des Lehrprogramms (SUGAR Programm), das im Podcast vorgestellt wurde. In diesem Buch finden sich auch zahlreiche sehr gute Methoden für das Needfinding, die leicht ausprobiert werden können. Bei Osiander ansehen >
Lese-Empfehlungen für den Needfinding Ansatz„Beobachten“ (Observation)
James H. Gilmore – Look: A Practical Guide for Improving Your Observational Skills
Der Autor hat auf Basis des „Six Thinking Hats“ Ansatzes von de Bono einen Ansatz zur Schärfung der Beobachtungsgabe entwickelt, die „Six Looking Glasses“. Bei Amazon ansehen >
Kreatives Schreiben
Hanns-Josef Ortheil – Schreiben dicht am Leben: Notieren und Skizzieren (Duden – Kreatives Schreiben)
Dieses Buch ist eher etwas für Fortgeschrittene, die sich Inspiration für eigene Beobachtungstechniken in einer fremden Disziplin, dem kreativen Schreiben, holen möchten. Bei Osiander ansehen >
Checkliste Interview
Tipps zur Interviewführung für ein erfolgreiches Needfinding (Erfahrungen des KIT SUGAR Teaching Team) – Download PDF >
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Eine Übersicht der bisherigen Episoden und die anstehenden Termine der kommenden Live Aufnahmen >
Transkript
Das manuelle Transkript wurde erstellt durch Audiotyped.
Niels Feldmann: Wir sind als Innovatoren unterwegs. Das heißt, wir sind nicht Ethnographen oder Völkerkundler oder Psychologen, die den Menschen verstehen wollen und zufrieden sind, wenn sie den Menschen verstanden haben, sondern wir machen das ja für einen Zweck. Wir wollen am Schluss eine Lösung, ein Produkt, eine Dienstleistung et cetera kreieren, die den Leuten das berühmte Glänzen in die Augen reinbringt, also die bei den Leuten einfach auf Resonanz stößt. Und genau dafür müssen wir das Need Finding durchführen, das ist unsere Aufgabe.
Willkommen beim Smart Innovation Podcast! Mein Name ist Klaus Reichert. Ich bin Unternehmensberater und Businesscoach für Innovationen. Von Baden-Württemberg aus begleite ich zukunftsorientierte Unternehmer und Unternehmerinnen sowie ihre Teams remote. Im Smart Innovation Podcast spreche ich mit engagierten und kreativen Menschen über Innovationen, über Innovationsmanagement, Unternehmertum und Verantwortung, gerade im Kontext des Klimawandels. Es geht um innovative, agile Organisationen mit Vision, Dynamik und Energie, sowie den passenden Vorgehensweisen Neues auch enkeltauglich zu entwerfen. Ebenso geht es um wechselnde aktuelle Themen wie neue Geschäftsmodelle, nachhaltige Produkte und digitale Dienstleistungen. Bei den Live-Aufnahmen haben die Teilnehmenden Gelegenheit sich einzubringen, Fragen zu stellen und mitzureden. Neue Episoden erscheinen dann zum Wochenende. Die aktuellen Termine und alle bisherigen Folgen sind auf klausreichert.de/podcast. In jeder Folge gibt es ein kurzzeitig verfügbares Angebot. So wird Innovation für die Teilnehmenden lebendig und gleich umsetzbar. Der direkte Link zur Episode ist in den Shownotes. Dort gibt es auch weiterführende Informationen, Videos und ein Transkript.
Klaus Reichert: Mein Gesprächspartner heute ist Niels Feldmann. Wir unterhalten uns über Need Finding im Rahmen von Design-Thinking-Projekten. Dr. Niels Feldmann ist Forscher am Karlsruher Service Research Institute, dem KSRI, am Karlsruher Institut für Technologie, dem KIT. Viele Abkürzungen, und Kreativität und Innovation ist im Kern seiner Tätigkeit. Seine Projekte konzentrieren sich auf die Evaluierung, Entwicklung und Umsetzung neuer Geschäftsmodelle, technologiegetriebener Produkt- und Service-Innovationen sowie die Etablierung von Ansätzen für Open und Collaborative Innovation. Er ist Teil des weltweiten SUGAR Netzwerkes, das Unternehmenspartner mit Studenten von 25 Universitäten aus 4 Kontinenten zusammenbringt. Ganz schön imposante Anzahl, musst auch gleich noch ein bisschen was davon erzählen. In diesem internationalen Umfeld lernen die Studierenden für die Dauer eines akademischen Jahres menschzentrierte Gestaltungswerkzeuge in einer Umgebung interdisziplinären, praxisorientierten Lernens kennen. Die globalen Studententeams prototypieren, auf Englisch hört sich das besser an, testen und iterieren, um innovative Lösungen für echte Design-Herausforderungen großer Unternehmenssponsoren zu entwickeln und zu implementieren.
Willkommen beim Smart Innovation Podcast! Schön, dass du heute mit dabei bist.
Niels Feldmann: Herzlichen Dank für die Einladung, Klaus!
Klaus Reichert: Mensch, Niels, das war eine lange Einführung. Vielleicht kannst du es nochmal kürzer sagen bitte.
Niels Feldmann: Ja, gerne! Also das SUGAR Netzwerk, wie du schon sagtest, ist ein weltweites Netzwerk von Universitäten, (unv. #00:03:54.7# 25?) sind das im Augenblick. Und wir lehren synchronisiert eben das, was wir humanzentrisches Innovieren nennen, landläufig auch unter Design Thinking bekannt. Und was die Studierenden, die Teilnehmer machen bei uns, ist, die lernen eben diese Ansätze und wenden sie gleichzeitig auch an auf Projekte, die von Unternehmen als echte Innovations-Herausforderungen für ein Jahr in die Hände eines studentischen Teams gegeben werden. Und ein solches Team setzt sich dabei immer zusammen aus so ungefähr 7 bis 8 Studierenden von jeweils 2 Universitäten aus dem Partnernetzwerk. Und gemeinschaftlich löst man dann über die entsprechende Zeit hinweg hoffentlich die Herausforderungen.
Klaus Reichert: Hast du ein Beispiel, an was für einem Projekt deine Studierenden gerade arbeiten?
Niels Feldmann: Im Augenblick arbeitet kein Studierender an einem Projekt, weil wir gerade kurz vor dem Start des nächsten Jahrgangs sind. Aber wir haben natürlich gerade auch Jahrgänge abgeschlossen. Im letzten Jahr haben wir, im vergangenen Jahr haben wir uns zum Beispiel damit auch befasst, wie ein Museum sich im digitalen Raum neu aufstellen kann und welche Leistungsangebote ein Museum Bürgern im Digitalen bieten kann, und zwar weit über das hinaus, was wir als Zoom-Führungen oder so bezeichnen können. Also die einfachen Dinge, die sind bekannt, die sind nicht wirklich neu, und wir suchen nach neuen Dingen. Und da ist durchaus einiges sehr Interessantes herausgekommen, was auch momentan in der Umsetzung bei einigen (unv. #00:05:25.4#) sich befindet.
Klaus Reichert: Ganz unabhängig von unserem heutigen Thema, da sollten wir wahrscheinlich einfach mal ein eigenes Thema draus machen.
Niels Feldmann: Sehr gerne!
Klaus Reichert: Heute wollen wir uns über Need Finding unterhalten. Need Finding ist ein Begriff aus der Design-Thinking-Welt. Es geht darum, bei Innovation etwas Neuartiges zu schaffen, das zugleich von einer Zielgruppe als nützlich und wertvoll erachtet wird. Und jetzt hat man natürlich immer das Problem, wie man herausfindet, was die jeweilige Zielgruppe tatsächlich braucht, was für sie nützlich ist. Und wenn wir dann anfangen, die Adressaten nach ihren Wünschen zu fragen, dann zeigt es sich oft, dass die Antworten darauf eigentlich schon zu kurz gesprungen sind oder dass diese Gruppe gar nicht weiß, was ihre Wünsche denn sind. Da gibt es eben verschiedene Techniken zu Bedürfnisanalysen, Need Finding als Thema heute, da freue ich mich schon drüber. Niels, ihr macht das laufend. Was steckt dahinter? Gib uns doch bitte mal eine kurze Orientierung.
Niels Feldmann: Du hast es eigentlich in der Definition schon recht schön erklärt. Es geht darum, bei Innovationsprojekten ja grundsätzlich, wir wollen was Neuartiges schaffen, was in irgendeiner Weise natürlich auch am Markt toll ankommt, sonst wäre es ja keine Innovation. Und dafür müssen wir natürlich wissen, was kommt denn da am Markt toll an beziehungsweise was würdigen denn unsere Adressaten. Genau da hinter die Kulissen zu schauen und hinter das zu schauen, was Menschen vordergründig als Wünsche in den Raum stellen und vielleicht ein bisschen tiefer zu bohren – und das ist das, was man als Need Finding bezeichnet. Dafür gibt es einige Techniken, und diese Techniken lehren wir auch in dem vorhin genannten Programm, sprich, unsere Studierenden, die lernen sie, die wenden sie auch an. Insofern haben wir da auch einiges an Erfahrung in den Projekten sammeln können schon.
Klaus Reichert: Jetzt gibt’s da verschiedene Möglichkeiten, um an das heranzukommen, was tatsächlich gewünscht wird von meiner Zielgruppe. Wir werden nur eine von mehreren vertiefen, aber kannst du uns einen Überblick geben, von was wir da auch noch sprechen, was wir alternativ anwenden könnten?
Niels Feldmann: Ich meine, was glaube ich jedem sofort einfällt ist, naja, wenn ich die Bedürfnisse von jemandem herausfinden will, dann gehe ich mal hin und frage einfach. Also das berühmte Interview, was man führt. Und das ist auch tatsächlich eine Klasse, kann man sagen, von Techniken, also rund um das Thema Interview gibt’s eine ganze Menge Spielarten, wie man Interviews durchführen kann, in welcher Form man die organisieren kann, also das ist ein eigenes Feld. Aber es ist ein Feld eben, Need Finding zu betreiben. Das ist das, was vordergründig jedem einfällt. Es gibt noch ein anderes Feld, was vielleicht nicht gleich so jedem einfällt, das nennen wir das Beobachten. Also das heißt, das Verhalten von Menschen zu studieren, indem man sie jetzt gerade eben mal nicht fragt, sondern sie bei der jeweils fraglichen Situation, um die es in dem Projekt geht, beobachtet, wie sie sich natürlich verhalten, und daraus Rückschlüsse zieht, was in der Situation wichtig ist oder was für Verhaltensmuster immer wieder auftreten, die vielleicht hinderlich sind et cetera. Und das ist eine zweite Art und Weise, wie man hinter die Kulissen schauen kann, die etwas subtiler ist als das Interview. Eine dritte – darüber werden wir wahrscheinlich heute sprechen – ist die Möglichkeit, selbst Erfahrungen zu sammeln. Das heißt, auch selbst Experimente durchzuführen und an sich selbst mal zu studieren, wenn man sich in die Situation des Gegenübers hineinbegibt, was das mit einem macht und wie man sich selbst fühlen würde. Es gibt noch zwei modernere Spielarten, die sind jetzt so ganz klassisch gar nicht bekannt vielleicht. Das eine ist die Netnography. Das Internet bietet tolle Möglichkeiten, heute in Foren, bestimmte Interessentengruppen online, so per Mäuschen sage ich mal zu studieren, also einfach mal mitzugucken, mitzulesen, was die machen. Und dann aus dem, was da geschrieben wird von den Protagonisten Profile zu bilden. Das ist auch eine Möglichkeit, die sich in den letzten Jahren eigentlich ergeben hat. Und es gibt noch eine ganz moderne, und da mache ich ein klein bisschen Werbung für unser Institut: Ein Kollege von mir, der hat sich in der Forschung damit beschäftigt, ob man zum Beispiel aus Social Media Feeds, wenn man sie abgreift und mit Künstlicher Intelligenz analysiert, ob man da auch Bedürfnisse von Menschen erahnen kann.
Klaus Reichert: Da fallen mir ein paar ein, die wahrscheinlich nicht wirklich sinnvoll sind. Aber das ist wahrscheinlich nicht der richtige Ort hier gerade. Das heißt aber auch, wenn wir uns jetzt auf ein Thema fokussieren, verstehe ich, wir brauchen eigentlich immer eine gehörige Portion von psychologischem Grundwissen, um das Thema zu machen, in jedem Fall aber auch Empathie, um mich dann in etwas, in jemand anderen hineinversetzen zu können, in eine Situation begeben zu können, die außerhalb meiner normalen Lebenswelt ist.
Niels Feldmann: Ja, exakt! Also das Ziel, wir sind als Innovatoren unterwegs. Das heißt, wir sind nicht Ethnographen oder Völkerkundler oder Psychologen, die den Menschen verstehen wollen und zufrieden sind, wenn sie den Menschen verstanden haben, sondern wir machen das ja für einen Zweck. Wir wollen am Schluss eine Lösung, ein Produkt, eine Dienstleistung et cetera kreieren, die den Leuten das berühmte Glänzen in die Augen reinbringt, also die bei den Leuten einfach auf Resonanz stößt. Und genau dafür müssen wir das Need Finding durchführen, das ist unsere Aufgabe.
Klaus Reichert: Niels, wir wollen heute das Thema Experiment angehen, das Thema Experiment vertiefen. Und das ist im Grunde schon wieder ein bisschen schwieriger wie all die anderen, wie die anderen beiden das beobachten und das Interviewen, weil ich tatsächlich mich reinbegeben muss in die Situation und nicht einfach nur von außen draufgucken kann oder jemanden fragen kann. Was sind denn da so die großen Herausforderungen?
Niels Feldmann: Die hauptsächliche Herausforderung ist, wenn wir uns selbst in eine Situation hineinbegeben, wir sie gewissermaßen in einer Form tun müssen, dass wir, wie man so schön sagt, in den Schuhen einer anderen Person unterwegs sind. Das heißt, wir als Innovatoren sind vielleicht gar nicht die gleiche Persönlichkeit mit den gleichen Grundbedürfnissen wie die Person, für die wir eine Lösung schaffen möchten. Das heißt, wir müssen eigentlich zur Vorbereitung, damit wir in einem solchen Selbsttest zu erkenntnisreichen Informationen kommen, du hast das Stichwort vorher so schön genannt, Empathie ausbilden. Das heißt, wir müssen in der Lage sein, uns gedanklich schon in die Situation, in den Menschen hineinzuversetzen, dessen Rolle wir in dem Selbsttest spielen. Dass man nicht einfach nur den Test durchführt, um den Test durchgeführt zu haben und sich selbst studiert, weil das ist verhältnismäßig einfach. Aber ich würde dann, wenn ich jetzt an mir etwas pur messe, würde ich falsche Schlüsse ziehen.
Klaus Reichert: Das heißt, ich müsste eigentlich gucken, dass ich sage, ich gehe nicht als Klaus da rein, sondern ich beobachte gerade zum Beispiel die Marianne in ihrem Umfeld und jetzt muss ich gucken, mich so verhalten, als wäre ich Marianne?
Niels Feldmann: Genau! Ich gebe dir mal ein Beispiel. Wir hatten vor ein paar Jahren ein Projekt im Bereich des automobilen Aftermarkets. Also das ist so Auto reparieren, Wartungen, in diesem Segment. Und es gibt dort sage ich mal Anbieter von Reparaturanleitungen und so weiter und Kompatibilitätslisten. Diese Anbieter wunderten sich damals, dass sie fast nie Fehlermeldungen bekommen, dass in ihren Anleitungen irgendwas nicht korrekt wäre. Und haben sie gesagt: Warum ist das so? Und was können wir machen, um mehr Dialog hinzubekommen mit den Monteuren, die nach unseren Anleitungen eben Reparaturen durchführen? Und unter anderem in dieser Geschichte, die ich da gerade erzähle, haben dann unsere Studierenden sich auch bei einer Werkstatt mal angemeldet nach einer gewissen Zeit und gefragt, ob sie das auch, sage ich mal, so einen Tag mal miterleben können, vielleicht mitgestalten können. Und dann dürfen sie natürlich nicht als ein Student des Wirtschaftsingenieurwesens dort im Raum sein, sondern sie müssen sich reinversetzen in die Lage des Monteurs, der da arbeitet. So wie du sagst, nicht Klaus, sondern Marianne. Und so war das in unserem Fall auch. Und das ist natürlich eine Herausforderung an die Vorarbeit. Das heißt, bevor ich selbst beobachte und ein Selbstexperiment durchführe, wenn ich nicht die Zielgruppe bin, brauche ich eigentlich Vorkenntnisse. Insofern sind auch die vorher genannten beiden Punkte, die wir heute nicht vertiefen, Beobachten und das Interviewen, vorgelagert in vielen Fällen. Das heißt, ich mache erst meistens eine Beobachtung, um erstmal irgendwie zu sagen, ich schaue mal neutral auf die Landschaft drauf. Wenn ich da ein paar Beobachtungen gemacht habe, die spannend zu sein scheinen, dann gehe ich mal in die Interviews-Sessions rein, (unv. #00:14:33.8# einen?) zweiten, befrage: Warum macht ihr das eigentlich? Warum lauft ihr immer so? Warum kommuniziert ihr so? Et cetera. Und wenn ich das verstanden habe, dann habe ich eigentlich schon viel Hintergrundwissen über die Projektsituation, den Kontext. Und mit diesem Kontext und dem Wissen über die Personen, die ich vorher interviewt habe, dann kann ich mein Selbstexperiment starten und dann kann ich auch sagen: Wie fühle ich mich denn momentan? Wie fühle ich mich denn, wenn ich jetzt weiß, ich spiele gerade die Rolle von Marianne in deinem Fall?
Niels Feldmann: Jetzt bin ich aber natürlich Teil dieses, das, was ich sozusagen beobachten möchte, ich weiß nicht, wer es gesagt hat, aber damit bist du natürlich Teil des Systems und veränderst das Ganze auch wieder. Hat das dann auch irgendwelche Auswirkungen? Gibt’s da etwas, wo man vielleicht gegensteuern kann?
Niels Feldmann: Es kann Auswirkungen haben, ja, selbstverständlich. Ich würde gar nicht unbedingt gegensteuern wollen. Ich finde das viel spannender, dieses Element bewusst einzusetzen. Also bei diesem Selbstexperiment, das kann ich in zwei Formen machen. Ich kann sagen, ich versuche jetzt mal genau das zu machen, was meine Persona, mein Protagonist, den ich hier studieren möchte und für den ich irgendwie eine Lösung kreieren möchte am Ende, wie der das heute macht. Und dann erlebe ich das, dann sage ich: Dann reflektiere ich auf der Basis meines Vorwissens. Wie würde ich mich jetzt als die besagte Marianne fühlen? Da habe ich das Erlebnis für mich. Da habe ich noch nicht notwendigerweise groß Einfluss auf das ganze System genommen. Ich kann aber jetzt in meinem Werkstattbeispiel natürlich auch hingehen und eine zweite Spielart machen, ganz bewusst. Das heißt, ich kann am Anfang so die erste, weiß ich nicht, Stunde, sage ich jetzt einfach mal, mich so verhalten wie Monteur XY. Und dann kriege ich vielleicht eine Ahnung, was man andersmachen könnte oder was ein Hebel sein könnte für die Lösung, an der man arbeitet. Und wenn ich dann einfach mal gewissermaßen aus dem Selbsterlebnis ein Selbstexperiment mache, das heißt, ich verhalte mich in dem Moment mal anders, und dann auch registriere, was für eine Auswirkung das auf das Verhalten der anderen Teilnehmer in der Werkstatt – in dem was auch immer Kontext – hat, das ist durchaus auch eine sehr interessante Erkenntnis. Also das ist natürlich nicht das Ende der Fahnenstange, das ist ein Instrument, um auszuloten, wie dieses System, in dem man sich befindet, funktioniert und die entsprechenden Player dort funktionieren.
Klaus Reichert: Das heißt also, ich bin Teil des Systems, ich werde Teil des Ablaufes, ich bin da auch nicht nur ein Beobachter in diesem Experiment, ich mache da mit natürlich. Ich versuche dann schnell was daraus zu lernen, damit ich es quasi in der nächsten Stufe, in der nächsten Stunde schon, in der zweiten Stunde schon dann gleich anwenden kann, auch austesten kann, vielleicht sogar auch irgendwie messen kann zum Beispiel. Vielleicht habe ich auch irgendeinen kurzen Prototyp, den ich dann baue, vielleicht stelle ich mal was um, vielleicht fange ich mit solchen Sachen eben gleich an.
Niels Feldmann: Ja, exakt! Viele, viele, viele Jahre her und auch nicht im akademischen Kontext, in meinem Projekt miterlebt, wie ein Raum, also es ging da um Räumlichkeiten, wo Kunden und Anbieter zueinanderkommen, und wie ein solcher Raum, um dort neue Erlebnisse sich einfallen zu lassen, einfach mal in einer Halle aufgebaut wurde. Und dann kann man in dieser Halle, das ist wie ein Theater gewissermaßen, also man baut sich eine Bühne und man spielt die entsprechenden Situationen, die normalerweise am Ort des Geschehens stattfinden, selbst mal durch, oder man lädt sich auch nichtsahnende Dritte in dem Sinne mit ein. Also nichtsahnend, die wissen natürlich schon, dass sie daran teilnehmen am Experiment. Aber die sind jetzt nicht aus dem Projekt, die können, ich sag mal, von der Straße sein, um das etwas plakativ zu sagen. Und genau in dem Zusammenhang kann ich nur sagen, ich kann entweder die in einen solchen Nachbau meiner Umgebung reinsetzen oder ich kann in dem Nachbau was verändern, das ist dann eine prototypische Anpassung. Oder ich kann auch noch mitagieren als ein Player unter denen, die da so typischerweise agieren, und ich kann auch mein Verhalten ändern. Das heißt, ich habe da an verschiedenen Ecken Stellschrauben, wie ich zu Erkenntnissen komme. Das klingt jetzt, wenn man das vielleicht so hört, nahezu ein bisschen beliebig. Wie komme ich denn da am Ende zu Erkenntnissen, wenn ich mal entscheiden kann, ich studiere mich selbst, ich beobachte nur, wie sich Leute in meinem Setting bewegen, oder ich greife ein. Und das setzt natürlich eine gewisse Planung voraus. Das heißt, ich mache das nicht einfach so, wenn ich lustig bin, sondern ich muss natürlich auch vorher mal drüber nachdenken.
Klaus Reichert: Klar! Vor allem, wenn du sagst, ich will da jetzt tatsächlich was nachbauen, was aufbauen, dann muss ich auch logistisch das Ganze schon mal hinbekommen. Was mir da gerade eingefallen ist, es ist natürlich auf der einen Seite solche Service-Innovationen, wir können über Supermarkt-Checkout zum Beispiel sprechen in dem Zusammenhang, vielleicht sowieso Supermarkt-Grundrisse, wir können aber auch natürlich Produktionsabläufe damit natürlich angehen, Arbeitsstationen gestalten, die wir dann aus Pappe zum Beispiel schnell bauen, umbauen und so weiter. Und da können wir dann recht schnell auch schon, gerade in dem letzten Beispiel, zu einem Punkt kommen, wo wir sagen: Mensch, wir probieren es mal soundso aus und merken dann auch, weil wir es messen, dass es zum Beispiel die bessere Lösung ist. Das merken wir dann gleich im Experiment. In den anderen Sachen, sagen wir mal in Supermarkt-Checkout-Situationen, kann ich dann tatsächlich auch Menschen von der Straße einfach dazunehmen und kann sagen: Hey! Probiert‘s mal aus. Wie kommt ihr euch vor? Habt ihr Fragen? Kommt ihr gut durch? Und das beobachte ich dann vielleicht einfach wieder.
Niels Feldmann: Exakt! Genau!
Klaus Reichert: Gleichzeitig kann ich natürlich selber auch eingreifen, indem ich da verschiedene Rollen vielleicht spiele. Das kann auch mal jemand sein, der sich zum Beispiel sehr dumm anstellt oder sehr ignorant ist zum Beispiel, um dann zu sehen, wie man dann in der Situation eben umgehen würde.
Niels Feldmann: Exakt!
Klaus Reichert: Mhm (bejahend). Okay, verstanden! Das heißt also, wir brauchen eine geschickte Planung. Was ich auch gemerkt habe, ist, dass du gesagt hast, wir müssen natürlich diese Experimentsituation, die müssen wir vorbereiten einfach durch dieses Beobachten und Interviewen, damit wir schon wissen, in welche Richtung es gehen kann. Weil ein bisschen festlegen müssen wir uns tatsächlich, wenn wir anfangen, was dann aufzubauen zum Beispiel. Und dann brauch ich natürlich auch Menschen, die da bereit sind, mitzumachen. Muss man die irgendwie vorbereiten, muss man denen irgendwas Spezielles sagen? Oder ist es vielleicht besser zu sagen, gar nichts zu sagen?
Niels Feldmann: Jetzt sind wir natürlich bei zwei Situation. Wir sprechen auf der einen Seite heute über das Selbstexperiment. Und ich habe mich, wenn ich ein Selbstexperiment durchführe, jetzt bleibe ich mal kurz bei meinem Beispiel, um eines studentischen Teams, was in den Werkstätten bei den Automechanikern gearbeitet hat.
Klaus Reichert: Ja.
Niels Feldmann: Die haben gewissermaßen ihre ganze Vorbereitungsarbeit geleistet, indem sie vorher in solchen Werkstätten schon mal waren, sich da mit dem berühmten Klappstuhl in die Ecke gesetzt haben und haben zum Beispiel beobachtet: Wie sieht denn so eine Halle aus? Jetzt sind wir bei dem Thema Beobachten. Welches Licht ist da, welche Geräuschkulisse? Wer redet mit wem? Wer scheint hier der Chef zu sein? Und was alles da eine Rolle spielt. Wo steht der Computer? Wann sind die Hände ölig? Und all solche Geschichten, was man dann beobachten kann. Das Zweite ist, die haben dann ihre Interviews geführt. Mit diesem Vorwissen gehen sie in ihr Selbstexperiment herein. Das ist auch interessant für das, was in der Planung noch passieren sollte. Also wenn ich ein solches Experiment durchführe, gerade bei so einem Selbsttest bin ich schon etwas erfahrener, also das heißt, da weiß ich über die gesamten Bedürfnisstrukturen schon einiges. Wenn ich ein solches Selbstexperiment beziehungsweise so einen (unv. #00:22:49.2#) experimentellen Charakter versuche zu erzeugen, sollte ich da reingehen mit einer Erwartung oder einer Hypothese, würden wir sagen. Das heißt, ich habe so einen Riecher, wo hier was falsch läuft, wo was schlecht läuft. Und das würde ich jetzt mal an mir selbst spüren und dann habe ich vielleicht die Bestätigung des Riechers oder eine Idee, wie ich es ändern könnte. Und dann entlang dieser Hypothese verhalte ich mich mal anders oder stelle mal was anders in den Räumlichkeiten et cetera. Und das ist das, was ich mit Planung meine. Also ich muss schon vorher mir genau überlegt haben für so ein Experiment, warum ich hier was tue. Vielleicht noch ergänzend: Der andere Teil der Frage ist, wenn man jetzt sagt, ich mache es vom Selbstexperiment zum Experiment. Das heißt, ich lade noch mehr Protagonisten von der Straße in deinem Supermarkt-Beispiel von eben ein. Muss ich die vorbereiten? In den meisten Fällen würde ich sagen: Nein. Weil wir laden die Zielgruppe ein, die wir studieren wollen, die wir besser kennenlernen wollen. Die sollen sich so verhalten, wie sie sich schon immer verhalten oder wie sie sich natürlich verhalten. Und dann würde ich entsprechend, das ist dann auch sowieso eine Mischung zwischen experimenteller Situation und auch vielleicht ein bisschen Beobachtung, und das möchte ich so natürlich haben wie möglich.
Klaus Reichert: Also ohne, dass jemand vorbereitet ist, unvoreingenommen in eine Situation reinzugehen und da eine echte Reaktion auch dann beobachten zu können?
Niels Feldmann: Exakt, exakt! Ich meine, es gibt natürlich die üblichen Informationen vorab, dass das ein vertrauenswürdiges Setup ist und dass der nicht irgendwie Angst hat, was da passieren kann. So die typischen, wenn man jemanden auf der Straße holt, dann muss man die natürlich irgendwie im Sinne eines kleinen Warmups erstmal irgendwie einführen, was man da vorhat. Aber ansonsten würde ich jetzt den Leuten nichts mitgeben, was ich schon erwarte. Damit verfälsche ich das Ergebnis eigentlich nur.
Klaus Reichert: Wenn ich aber Teil des Ganzen bin und selbst, wenn ich nur Beobachter bin und dann versuche, etwas herauszunehmen, weil bin ich ja selbst quasi informiert, ich weiß eigentlich auch, in welche Richtung zum Beispiel etwas gehen könnte, ich kenne die Erwartungen der Menschen, die mich vielleicht beauftragt haben, das Ganze zu tun. Jetzt brauche ich bestimmte Dinge, ich muss etwas mitbringen, damit ich das auch wirklich tun kann. Also wir hatten Empathie schon angesprochen, wir hatten dann wahrscheinlich auch irgendeine Fähigkeit, die notwendig ist, dass man sich da eben doch noch distanzieren kann, obwohl man Teil des Ganzen ist. Aber was brauche ich denn sonst noch? Was muss ich denn sonst noch mitbringen, um das am besten jetzt machen zu können dieses Selbstexperiment?
Niels Feldmann: Was ich interessant finde, ist, sich vielleicht so ein Framework mitzubringen, was ich an mir und potenziell anderen oder in der Interaktion mit anderen beobachten möchte oder studieren möchte. Du hast vorhin das Thema Empathie mal in den Raum gestellt oder eben auch nochmal. Da gibt es so ein berühmtes Tool, die Empathy Map, kennt glaube ich fast jeder hier, der irgendwie mit Innovation mal zu tun hat. Da gibt es so mehr oder weniger die Sinne, die da adressiert werden. Also was hört, was sieht, was fühlt die entsprechende Person? Das ist so eine Art Framework, was ich meine. Mit so einem Framework kann man in so eine Situation hineingehen und sagen: Wie fühle ich mich gerade? Was denke ich gerade? Was verschafft mir Schmerzen? Was würde mir jetzt viel nützen? Und von dieser Art von Framework gibt es noch mehrere. Also die Empathy Map ist landläufig, glaube ich, recht gut bekannt. Aber es gibt auch noch mehr. Es gibt auch welche, die gehen in die Richtung, die etwas mehr an der eigentlichen Aufgabe und dem Kontext orientiert sind. Also was ist meine Umgebung? Was sind meine Aktivitäten et cetera? Da gibt es einiges an Frameworks. Und ich glaube, das würde ich auch im Rahmen der Vorbereitung mir überlegen: Was sind meine Perspektiven, die ich bei mir selbst oder bei Dritten abklopfe, wenn ich in dem Experiment drinstecke?
Klaus Reichert: Danke, dass du es angesprochen hast. Wir werden das dann auch verlinken auf der Episoden-Webseite, sodass man das dann leicht für sich selber nutzen kann. Was sind denn noch weitere Werkzeuge, die ich in dem Zusammenhang brauchen sollte?
Niels Feldmann: Selbstverständlich, also wenn es natürlich jetzt darum geht, die Ergebnisse festzuhalten, also im Selbstexperiment ist es sicherlich eher eine Sache, die ich schnell mal aufs Smartphone im Soundaufnahme-Modus sprechen kann oder notieren kann. Das sind so Tipps. Also das Smartphone ist sowieso, ich glaube, das beste, das liebste Instrument des Researchers in dem Fall oder des Innovators, weil das hat unglaublich viele Funktionen von Video, Foto, Sound aufnehmen und allem Drum und Notizfunktionen hat. Und mit Siri und Konsorten kann man auch gleich noch Text draus machen. Ich glaube, das ist ein sehr hilfreiches Instrument. Kamera kann, je nachdem wie man unterwegs ist, auch nochmal sicher vielleicht noch einen professionelleren Touch kriegen. Man kann auch eine Kamera auf ein Stativ stellen und sie mitlaufen lassen, hinterher sich selbst studieren im Sinne von, man hat ja eine Wahrnehmung, wie man sich verhält. Und dann sieht man es noch mal neutral, wie man sich wirklich verhalten hat. Das sind sicherlich Instrumente, aber ansonsten glaube ich die üblichen Arten und Weisen, Eindrücke festzuhalten, also auch ein Notizblock.
Klaus Reichert: Du hast auch zum Beispiel sowas wie die Empathy Map dann schon angesprochen, was ein wirklich sinnvolles Werkzeug ist in der Vorbereitung und dann eben auch Nachbereitung. In der Durchführung ist es ein bisschen sperrig, wenn man es dann dabeihat, das ist schon klar. Jetzt hast du aber auch angesprochen, Mensch, dass man zum Beispiel Beobachter, Forscher sein muss, auf der anderen Seite vielleicht auch Innovator. Da kann man jetzt auch über die Definitionen sicher trefflich streiten. Aber viele Menschen sind ja nicht alles auf einmal, also das gibt’s ja nur ganz selten. Also brauchen wir eigentlich ein Team. Wie sieht denn dieses Team idealerweise aus? Zum Beispiel, die jetzt bei deinem Autobeispiel zusammengearbeitet haben, wie sah das Team denn aus?
Niels Feldmann: Das gesamte Team, was an dem Projekt gearbeitet hat, war relativ bunt zusammengesetzt. Also die hatten verschiedene Fähigkeiten in ihrem Team drin, von Leuten, die eher, ich sag mal, ingenieursmäßig geprägt waren und vielleicht dem Mechaniker-Herz etwas näher waren, bis hin zu eher IT-seitig geprägten, design-geprägten Leuten, die mit einem BWL-Hintergrund draufgeschaut haben. Das war also eine etwas buntere Truppe gewesen. Auch von Nationalitäten, soweit ich mich erinnere, hatten wir mehrere Nationalitäten zum Beispiel in dem Team drin. Das heißt, nicht jeder hat mit dem gleichen Selbstverständnis und der gleichen Sozialisation auf die Situation geschaut. Das heißt, wir hatten so eine ganz gute Sensorik im Team, glaube ich.
Klaus Reichert: in jedem Falle eine Art von Team haben in dieser Situation. Ein Team sind natürlich, zwei sind noch kein Team, aber zwei, drei Personen sollten es schon sein. Wenn es zu viel ist, ist es natürlich auch etwas ungeschickt, aber so fünf, sechs Personen ist wahrscheinlich nicht schlecht.
Niels Feldmann: Richtig, genau! Und die Frage, also wie man jetzt dieses Need Finding, wir gehen ja grad so ein bisschen zurück von dem Selbstexperiment des Individuums, glaube ich, grad eine Ebene höher, wenn man das Need Finding per se im Team betreibt, so eine Need-Finding-Situation finde ich immer dann sehr erkenntnisreich, wenn man so zu zweit, maximal zu dritt in der jeweiligen Situation gerade ist. Das kann man aber in einem Team, was etwas größer ist, was ein Gesamt-Innovationsprojekt ist, gut aufteilen. Das heißt, die einen investieren vielleicht ein bisschen mehr in die Interviews, andere sind mehr bei diesem Experimentcharakter dabei, andere sind vielleicht diejenigen, die ein Auge haben, wenn sie beobachten. Also das kann man entsprechend auch gut verteilen.
Klaus Reichert: Vor allem, wenn man dann ein etwas größeres Projekt hat, ist ja nun mal sehr viel extra Arbeit notwendig, um überhaupt das Experiment zum Beispiel durchzuführen.
Jetzt haben wir also unser Thema vorbereitet. Wir haben unser Experiment in mehreren Stufen durchgeführt. Dabei müssen wir eigentlich auch davon ausgehen, dass natürlich gleich eine gewisse Art von Prototyp oder Prototypen entstanden ist und damit dann neu experimentiert wurde. Wie lange zieht sich sowas denn dann hin im Idealfall? Oder sollte es sich denn hinziehen? Mache ich das über mehrere Tage, mache ich mehrere Runden? Sind 100 Runden zu viel, 2 zu wenig? Was ist da so deine Erfahrung?
Niels Feldmann: Die klassische Antwort an der Stelle: Das kommt drauf an. Und man kann es nicht so genau sagen. Ich möchte überhaupt keine Zahlen in den Raum stellen. Das Entscheidende ist eigentlich hier: Man betreibt das Ganze, haben wir ja eingangs gesagt, zum Erkenntnisgewinn, Punkt 1. Und den Erkenntnisgewinn, den betreibe ich, Punkt 2, weil ich am Schluss aus der Erkenntnis, die möglichst pointiert sein muss, eine Lösung kreieren möchte, die dann entsprechend hoffentlich die Leute begeistert. Das heißt, das Abbruchkriterium oder die Dauer und die Durchführungs-Intensität sollte ich eher an meinem Erkenntnisfortschritt festmachen als daran, wie oft ich es schon durchgeführt habe oder wie lang. Grundsätzlich, wenn man jetzt sagt, ein einzelnes, ob es jetzt Experiment ist oder ob das auch ein Interview ist, also wir sind hier eher so im Bereich von wenigen Stunden unterwegs, als es jetzt über mehrere Tage läuft. Also irgendwann spürt man an sich selbst auch nichts mehr, das verschwimmt dann irgendwann alles. Die Beobachtungen und die Studiendauer eines jeweiligen Durchlaufs sollten überschaubar sein. Weil ich muss mit diesen ganzen Eindrücken auch selbst hinterher noch etwas anfangen können. Und da kommen wir noch zu einem Punkt, und den würde ich gern nochmal auch, um so einen Need-Finding-Prozess zum Abschluss zu bringen, nochmal erwähnen, das ist die Synthese. Das heißt, wir haben gestartet mit der Planung, dann haben wir jetzt gerade sehr viel gesprochen über die Durchführung, wie macht man sowas. Und jetzt komme ich am Ende raus und mit einem Notizblock voll von Zeug, und das Smartphone, das mit lauter Soundaufnahmen und Fotos und Videos versehen ist. Und jetzt muss ich irgendwas damit machen. Jetzt muss ich zu dem Punkt kommen, von dem ich sagte, der uns eigentlich für die Lösungsfindung als Innovatoren hilft. Jetzt brauche ich irgendwie den Ansatzpunkt, den Startpunkt, für den ich den Ideenfindungs-, den Lösungsfindungs-Prozess im nächsten Schritt mache. Und da gibt es auch mehrere Konsolidierungsinstrumente. Eines der bekanntesten ist das, was wir eine Persona oder ein Persona Map nennen. Das heißt, ich versuchte vorher durch Beobachtung, durch Interviews, durch mein Selbstexperiment möglichst viel zu lernen über die Personen, für die ich am Schluss eine Lösung entwerfe. Das kann ich natürlich konsolidieren, als Datensenke, würde man jetzt in der Informatik wahrscheinlich sagen, in so einer Persona Map. Das ist ein gutes Instrument. Ein anderes gutes Instrument in dem Kontext kann auch eine Customer Journey sein. Ist, glaube ich, auch vielen bekannt. Auch da trage ich viele der Eindrücke zusammen und je nachdem, was ich für Zusatzinformationen in so einer Journey hineinschreibe, was für Dimensionen ich da aufspanne, auch das kann ein sehr gutes Instrument sein. Am Schluss, und Design Thinking ist ja nicht nur humanzentrisch und damit eben sehr auf diese Needs-Ergründung fokussiert, sondern das ist auch ein iterativer Prozess am Schluss. Weil es iterativ ist, weiß ich ja, ich kann die Iteration ein paar Mal durchführen. Das heißt, wenn ich jetzt einen Prozess, wenn ich ein solches Projekt durchführe und jetzt gesagt habe, ah, ich habe mein Projekt bekommen und jetzt studiere ich erstmal meine Mechaniker oder meine Supermarktkunden, und meine jetzt, die Marianne verstanden zu haben, und dann habe ich meine Persona Marianne kreiert, jetzt kreiere ich eine Lösung für etwas, was der Marianne offensichtlich wichtig zu sein scheint in dem Kontext. Ich weiß aber, das ist nur eine Wette. Das ist eine Wette, die ich aber wieder in Frage stellen kann, weil ich komme ja bei der nächsten Iteration wieder an allen Schritten vorbei. Ich glaube, das ist auch wichtig, dass man bei dieser Art von (unv. #00:35:08.0# Durchführung?) nicht immer auf die Weisheit hofft in einem Schritt, sondern dass man die nächstliegende oder nach dem momentanen Erkenntnisstand die wahrscheinlichste Wette eingeht und sagt: Für die kreiert man eine Lösung. Und dann testet man die und dann merkt man, vielleicht war es doch nicht die beste, und man geht wieder in den nächsten Zyklus mit den nächsten Beobachtungen, Interviews, Selbstexperimenten und Konsorten rein.
Klaus Reichert: In jedem Falle vorbereitet darauf sein, dass man weitere Zyklen macht, indem man auf das aufbaut, was man im vorhergehenden Zyklus gelernt, beobachtet, erfahren, erlebt hat, umgesetzt hat in einen eben fortführenden Prototypen, um das dann eben auch gleich wieder zu verifizieren.
Niels Feldmann: Genau!
Klaus Reichert: Wow! Und das ist natürlich ein ganz, ganz eigenes Thema. Das kommt dann sicher auch ein andermal noch mit dazu. Design Thinking ist gar nicht so schwierig, aber hat doch ziemlich viele Einzelschritte, wenn man so will, und wir wollen das jetzt heute auch sicherlich nicht übertreiben.
Wir wollen vom Zuhören ins Machen kommen, das ist eine wichtige Sache hier im Podcast. Da hast du uns ja auch was mitgebracht. Was wird das denn sein?
Niels Feldmann: Ich habe zwei Dinge mitgebracht. Das eine ist, ein paar Buchempfehlungen. In den Buchempfehlungen findet man vor allem Informationen darüber, wie man das, was ich eingangs als Beobachtungsfeld oder als Methoden rund um Beobachtungen vorgestellt habe, man da entsprechende Anregungen findet. Das ist zum einen ein grundlegendes Buch über Design Thinking von einem Kollegen, von Falk Uebernickel vom HPI in Potsdam, das da schöne Instrumente bietet. Es ist auf der zweiten Seite ein englischsprachiges Buch, das noch mal tiefer auf diese Beobachtung an sich eingeht und dafür auch einen 6-Perspektiven-Ansatz bietet. Und für die Fortgeschrittenen, die mal sich so inspirieren lassen wollen in Methodiken aus ganz anderen Umfelden, habe ich noch ein Duden-Buch, ein Büchlein empfohlen. Das kommt aus der Ecke des kreativen Schreibens, von Hanns-Josef Ortheil ist das Buch geschrieben. Ich glaube „Schreiben dicht am Leben“ nennt sich das. Und das beschreibt, wie Autoren oder die Leute, die eben hoffentlich kreativ schreiben und uns mit ihren Romanen begeistern, wie sie wirklichkeitsnah Romane schreiben oder Szenen in Romanen schreiben. Und wie sie dafür das echte Leben draußen studieren, genau beobachten und entsprechend Notizen sich machen für ihren Roman. Da kann man sich eine ganze Menge übertragen, wie man selbst im Business-Kontext beobachten kann. Ist aber im Vergleich zu den ersten beiden Werken sicherlich ein bisschen für Fortgeschrittene und die hohe Schule.
Klaus Reichert: Nichtsdestotrotz, eine Auswahl von drei passenden Büchern, vom Experten vorgeschlagen, ist sehr, sehr wertvoll.
Niels Feldmann: Richtig!
Klaus Reichert: Was war das Zweite, was du angesprochen hattest?
Niels Feldmann: Das Zweite ist, wir hatten ja auch schon über die landläufig bekannte Technik des Interviewführens gesprochen. Und Interviewführen ist auch so eine Sache, das können wir irgendwie alle, aber ein gutes Interview, bei dem man an des Pudels Kern rankommt, das ist gar nicht so einfach. Wir möchten, wenn wir die Bedürfnisse von Menschen studieren, nicht nur an der Oberfläche kratzen, wir wollen hinter das schauen, was die Leute selbst in der Lage sind auszudrücken. Wir wollen an die versteckten Bedürfnisse ran, an die, die wir so alle selbst gar nicht formulieren können oder denen wir uns gar nicht bewusst sind oder nur in bestimmten Situationen auf sie stoßen. Und da gibt’s natürlich auch eine, nicht nur Fragetechnik, sondern auch Denktechniken im Interview. Und da haben wir eine kleine Liste von Tipps zusammengestellt, die aus unserem Dozenten- und Lehrteam aus dem SUGAR Netzwerk hervorgegangen ist, wie wir das durchgeführt haben und welche guten Erfahrungen wir gesammelt haben.
Klaus Reichert: Da freue ich mich schon sehr darauf. Ich habe mir das angeguckt, ich finde das wirklich, wirklich hilfreich. Wir werden diese beiden angesprochenen Hilfsmittel, die Buchtipps und auch die Tipps zur Interviewführung als PDF dann auf der Episoden-Webseite zur Verfügung stellen als Download.
Wir haben heute über Need Finding gesprochen. Dabei ging‘s dann explizit auch um das Experimentieren, um das Selbstexperimentieren. Es gibt dann noch weitere Themen, die wir dringend auch noch ansprechen sollten. Aber das machen wir dann einfach mal in einem anderen Termin. In jedem Fall, Niels, ich fand es heute wieder sehr spannend, sehr lehrreich. Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast und dass du dabei warst.
Niels Feldmann: Herzlichen Dank!
Das war der Smart Innovation Podcast. Er wurde mit einem interessierten Publikum live aufgenommen. Vielen Dank fürs Dabeisein und Zuhören! Diese Episode gibt es auch zum Lesen. Der direkte Link ist in den Shownotes. Noch kein Abonnent? Die Show ist überall zu finden, wo es Podcasts gibt. Weitere Informationen zum Podcast und meine Kontaktdaten sind bei klausreichert.de/podcast. Dort gibt es auch eine Übersicht der nächsten Liveaufnahme-Termine. Ich bin Klaus Reichert und das war der Smart Innovation Podcast.
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