Wir erleben aktuell dramatische Überflutungen im Land. Bäche werden in kürzester Zeit zu reissenden Flüssen, sicher geglaubte Häuser werden überschwemmt, teilweise sogar weggerissen. Autos und Krankenwagen bleiben in Wassermassen stecken. Menschen ertrinken auf der überschwemmten Strasse. Es passiert etwas, das nicht passieren kann. Und es kam für alle Beteiligten überraschend. Verursacht von Wetterphänomenen, die bisher so nicht bei uns vorgekommen sind. Nicht nur, dass es in Deutschland an einer Stelle so stark regnet, dass Talsperren überlaufen. Auf der anderen Seite der Welt im Nordwesten USA und in Kanada sorgt dasselbe Wetterphänomen für dramatische Hitze in Gegenden, die bisher nur moderates Klima kannten. Es sind Vorgänge, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben.
Wir erleben Phänomene, die unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit, des Status Quo, dramatisch in Frage stellen. Was wir gewohnt sind, was wir kennen, macht unser Bild der Welt aus. Wie sie „ist“. So entstehen Situationen, die wir als gesetzt und sicher wahrnehmen. Unser Haus ist unsere Burg. Es bietet uns Sicherheit vor Regen und Kälte. Hier haben wir die Dinge, die unser Leben ausmachen, die Erinnerungsstücke. Die geliebten Dinge, die das Leben schöner machen. Die praktischen Dinge, die wir brauchen. Und die plötzlich alle weg sind. Zerstört durch Wasser oder Flammen. Und Menschen stehen daneben und können erstmal nichts tun. Die sichere Situation, der stabile Boden unter uns, ist weg. Der Glaube an Sicherheit ist weg.
Ein Menschenleben kann nicht ersetzt werden. Für den Rest haben wir erstmal Feuerwehr/THW/Bundeswehr, Solidarität mit den Nachbarn und staatliche Hilfen. Dann Versicherungen, die aber teilweise extreme Phänomene nicht abdecken. Zudem funktioniert das Support- und Versicherungssystem nicht, wenn sehr viele gleichzeitig betroffen sind.
Ich muss an die Erzählung eines Kommilitonen aus Bangladesh denken. Dort sind Flüsse Hunderte Meter breit. Und sie wechseln ihr Bett teilweise mehrmals jährlich, eine Steuerung ist nicht möglich. Menschen am einen Ufer verlieren dabei ihr Land und damit ihre Lebensgrundlage. Menschen am anderen Ufer bekommen dadurch Land und können darauf anbauen. Ich weiß nicht, wie diese Wechsel für diese Menschen sind. Sie wissen, dass etwas Dramatisches ihr Leben verändern wird, sie wissen nur nicht wann. Sind sie deswegen besser vorbereitet? Ist ihre Wahrnehmung von Sicherheit und Wandel eine andere? Wahrscheinlich und trotzdem wird es schwer sein.